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Mach es doch einfach weg

Der Hund, der beste Freund des Menschen, kann tatsächlich ein guter Freund sein. Aber auch die besten Freunde müssen irgendwann mal groß. Menschen gehen dann ins Bad, Katzen buddeln Löcher, Vögel fallen irgendwie aus dem Raster, Kaninchen bleiben im Stall, über Reptilien brauchen wir nicht reden, aber Hunde, Hunde legen ihre Bomben da, wo man sie lässt, und wenn man die nicht wegmacht, dann bleiben die da liegen. Und das ist dann Scheiße.

Wenn ich in Cuxhaven vor die Haustür gehe, muss ich sorgfältig den Gehweg scannen. Alle fünf Meter liegt ein Haufen. Direkt vor der Tür steht zu allem Überfluss ein Baum, drum herum ein Sandkasten. Klar. Klo. Manchmal steht mein Auto neben dem Baum, und wenn ich dann aussteige und den kürzesten Weg nehme, durch den Sandkasten, muss ich genau gucken, wo ich meine Füße hinsetze. Ganz genau. Da liegen so viele Haufen, der gesamte Kasten besteht aus Haufen.

In Kassel habe ich einen Freund, der hat einen Hund, einen kleinen irren Terrier, der tut, was er will, immer. Mein Freund lässt ihn draußen überall hinscheißen und als ich noch in Kassel lebte, fand ich das okay. Ist halt ein Hund. Wie sähe das denn aus, wenn nun mein Freund, ein Mensch, sich bückt und mit einem Beutel die Kacke von seinem Hund aufnimmt? Irgendwie bescheuert, dachte ich. Aber in Kassel funktionierte das Kackbeutel-System derart gut, dass man selbst auf Hundewiesen sorgenfrei barfuß laufen konnte. Da sah man dann Hipstermädchen und Businessboys, Hausfrauen und Karrierefrauen, Punks und Penner treu ihrem treuen Freund hinterherstiefeln, den schwarzen Beutel stets griffbereit. Das fand ich lustig. Irgendwie ironisch. Es war nicht mehr klar, wer jetzt wem untergeordnet war. Mein Freund mit dem Terrier sah das auch so und ließ seinen schwarz-weißen Kumpel überall hinscheißen, wenn möglich nahe einem Baum, wenn nicht, auch egal. Schnell weg und so tun, als habe man nichts gemerkt.

Überflüssig. Vulgär und plump

In Cuxhaven merkte ich dann, dass es scheiße ist, wenn überall Scheiße ist. Und es ist auch scheiße über Scheiße zu schreiben, irgendwie kommt man sich blöd dabei vor. Überflüssig. Vulgär und plump. Deshalb versuche ich auch gar nicht erst, die Story hier in feine Worthülsen zu packen. In Cuxhaven liegt wirklich so viel Scheiße auf den Gehwegen und Wiesen und am Strand, frische und getrocknete und zertretene, dass ich mich vorgestern dabei ertappte, wie ich einem Labrador und seinem Halter beim Spazierengehen konspirativ hinterherschnüffelte, sie verfolgte, um dem Halter im passenden Moment ganz beiläufig zu sagen: „Nimm die verdammte Scheiße da weg.“

Aber die Krönung des Irrsinns, die Spitze der Idiotie, sind die Kackhaufen, die sich in Plastikbeuteln befinden, aber trotzdem auf dem Gehweg oder der Wiese, am Strand oder neben dem Baum vor meiner Haustür liegen. Die heben tatsächlich die Scheiße auf, machen die in den Beutel, knoten den zu und schmeißen den Beutel dann zu Boden. Wenn ich so einen Beutel sehe, stelle ich mir vor, wie denen als Kind einer in den Kopf geschissen hat, Deckel auf und rein da. Nicht im übertragenen Sinn, sondern buchstäblich. Weil vernünftig denken ist anscheinend nicht mehr möglich. Großhirn auf der Straße des Lebens kaputtgegangen, ausgebaut und liegengelassen, so wie die Scheiße ihrer Hunde.

Gehen die dann mit ihrem Lebenspartner am Deich spazieren, der Dackel kackt zitternd in die Wiese, der Mann nimmt einen blauen Plastikbeutel, hebt damit die Kacke auf und sagt dann zu seiner Frau, vielleicht auch dem Hund: „So, Schatz, ich glaube, ich schmeiße den Beutel hier jetzt einfach wieder hin. Oder?“ – „Klar, klar, wo auch sonst?“ … Das sind wahrscheinlich dieselben, die sich ihre Fingernägel am Wohnzimmertisch schneiden und die da aus Versehen liegen lassen. Dieselben, die sich am Frühstückstisch am Arsch kratzen, dann Fusseln aus dem Bauchnabel wühlen und die dann auf den Tisch legen. „Da, guck mal, große Fussel, oder?“

Das müsste ihm schon sein hund erklären

Mein Freund aus Kassel ist nicht so einer, dem ist das einfach egal. Aber der ist Künstler und hat eh eine Macke. Um dem klar zu machen, dass er die Scheiße von seinem Hund wegmachen muss, ER und kein anderer, um dem das klar zu machen, müsste ihm das schon sein Hund erklären. Mit Worten. Aber als Künstler lebt man soundso in einer anderen Welt. In seiner Welt, zum Beispiel, darf man nicht sagen, wie alt er wirklich ist. Einmal meinte ich flapsig: „Siehst aber müde aus um die Augen heute.“ Da ist er gegangen, wortlos, und lag zwei Tage lang im Bett. Sein Assistent musste jede Stunde zweimal vorbeischauen und ihm sagen, dass er gut und jung und frisch aussieht, und nach zwei Tagen war dann alles wieder okay. Dem kannst du nicht erklären, dass er die Scheiße seines Hundes wegmachen muss. Wäre aber gut. Sollte jeder machen, so wie jeder, der mal groß muss, ins Bad geht. Selbstverständlich.