Foto: Shanice Allerheiligen

Foto: Shanice Allerheiligen

Man ist nie zu jung, um den eigenen Weg zu finden

Erst die Schule, dann die große Frage, wohin die Reise geht. Direkt studieren oder eine Ausbildung beginnen? Oder vielleicht vorab mit dem Rucksack durch die Welt? Das sind die Optionen, mit denen sich vermutlich die meisten von uns beschäftigt haben, um herauszufinden, welchen Berufsweg wir einschlagen sollen. So ging es mir auch.

Völlig normal, scheinbar alternativlos. Schließlich lehrte uns das die Schule all die Jahre: Wir bereiten dich auf dein Studium oder deine Ausbildung vor, dieses oder diese wiederum macht dich bereit für das wahre Berufsleben. Mittelwege sind nicht vorgesehen.

Nun stehe ich hier, bin 20 Jahre alt, selbstständig mit einem Café, einem Lädchen und bin Mutter eines bald zweijährigen Sohnes. Ich fühle mich wohl, angekommen und beruflich gefestigt. Und ich bin sehr froh, mich gegen meinen Kopf und für meinen Bauch entschieden zu haben.

Ich habe selten reingepasst

Wie alles begann: Im Grunde hatte ich eine ganz normale Schullaufbahn: Grundschule, Gymnasium und dann Oberstufe mit dem Ziel Abitur. So richtig reingepasst habe ich aber selten. Denn ich wollte mich schon früh auf bestimmte Themenfelder konzentrieren. Andere Bereiche haben mich nur oberflächlich interessiert. Bereits als Kind hatte ich eine berufliche Richtung vor Augen, die zwar verschiedene Berufe enthielt, allesamt waren sie aber immer frei, kreativ und selbst organisiert. Lernen auf Vorrat gelang mir nie so richtig gut, projektorientiert lernte ich am liebsten.

Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich mein erstes Projekt auf die Beine stellen. Ich plante ein Benefizkonzert mit drei Musikacts, um zum einen die Bremerhavener Musikszene zu erfrischen und um in dem Zuge Spenden für ein Projekt von UNICEF zu sammeln. Es entstand ein wirklich schöner Abend, welcher der Auftakt für meine kleine Veranstaltungsreihe „Bluedrop“ war, mit der ich die folgenden vier Jahre Konzerte organisierte.

„Konzentrier dich lieber auf die Schule“

Mit diesem Projekt begannen zunehmend die Konflikte in der Schule. „Wir finden es ganz toll, dass du dich so engagierst, dennoch solltest du es lieber ruhen lassen und damit bis nach der Schule warten. Jetzt musst du dich erst mal hierauf konzentrieren, damit auch aus deiner beruflichen Zukunft etwas werden kann“, klangen die Stimmen vieler Lehrer, die mich lieber mit vollem Einsatz in der Schule gesehen hätten.

Ich lernte stetig neue, inspirierende Menschen kennen.

Zu diesem Zeitpunkt war der Zug bei mir aber wohl schon abgefahren. Bei der Konzertplanung lernte ich auf ganz entspannte Weise verschiedene Dinge und ich befasste mich mit Themen, bei denen ich im Unterricht nur auf Durchzug gestellt hätte. Ich lernte stetig neue, inspirierende Menschen kennen. Und da in diesem Umfeld niemand mein Alter wusste, wurde ich ganz neutral als meine Person wahrgenommen.

Je näher das Schulende rückte, desto geringer wurde auch meine Motivation, am Unterricht bestimmter Fächer teilzunehmen und mich für eine gute Benotung durchzupauken. Ich hatte einfach kein Ziel mehr, zu dem mir das Abitur verholfen hätte. Ich suchte und suchte, doch kein Studium und keine Ausbildung schienen mir passend. Meine Interessen waren zu vielfältig und mein Tatendrang zu groß. So groß, dass ich beschloss, die Schule ein Jahr eher und nur mit der Fachhochschulreife abzuschließen, um einfach mal zu sehen, was sich ergibt. Das war so befreiend!

Der Druck war raus, ich konnte mich in alle Richtungen umsehen und alles auf mich zukommen lassen. Ich machte ein praktisches Jahr im Kulturbereich, das ich für den Erwerb der Fachhochschulreife benötigte. Die Zeit nutzte ich vor allem auch, um in meinem Wunsch, ein Café in Bremerhaven zu eröffnen, konkreter zu werden und die ersten Pläne zu schmieden. Herausgekommen ist das Findus, welches nun schon seinen zweiten Geburtstag feiert.

Zum Schluss blieb das Gute

Und alles funktionierte. Bei Weitem nicht alles geschmeidig, aber zum Schluss blieb das Gute. Anders als meine Lehrer behaupteten, habe ich den Satz des Pythagoras nie gebraucht, genau so wenig wie ein auswendig gelerntes Periodensystem und in Aktien habe ich auch nicht investiert. Die vielen Wissenslücken, die mir zum Beispiel bei der Gründung und Führung des Cafés begegneten, ließen sich durch liebe Mitmenschen und gezielte Recherche füllen. Durch Fehler und Probleme lernte ich am allermeisten und ich denke, dass meine Wissenslücken mir immer wieder auch ein Vorteil waren. Sie verhalfen mir zu mehr Kreativität und positivem Denken.

Das Café Findus feiert in diesem Jahr bereits seinen zweiten Geburtstag. (Foto: Shanice Allerheiligen)

Trotz der überwiegend guten Erfahrungen ließ mich der Gedanke zu einem „handfesten Abschluss“ bis vor Kurzem nicht ganz los. Ich kann doch schließlich nicht einfach ein Leben ohne Ausbildung leben, dachte ich. Ich fühlte mich regelrecht verpflichtet, diesen Weg früher oder später zu gehen. Erst jetzt, wo ich wirklich meinen beruflichen Grundstein gelegt habe und mich angekommen fühle, kann ich diesen Gedanken langsam ablegen. Bisher habe ich eigentlich stets mit einem großen Rückschlag gerechnet, der mir zeigt, dass ich doch einfach zu jung und naiv bin und man in meinem Alter eben noch nicht so weit ist, um selbstständig zu sein, geschweige denn um eine Familie zu gründen. Nun weiß ich aber: Es geht.

verpflichtet sind wir nur uns selbst

Die Eigenschaften, die man für diese Dinge mitbringen sollte, sind nicht am Alter oder an einem Zeugnis festzumachen. Ich denke, viel eher ist es die Motivation und ein Ziel, das von Herzen kommt. Es lohnt sich, sich von diesem Pflichtgedanken freizumachen. Verpflichtet sind wir nämlich nur uns selbst.

Ich bin noch lange, lange nicht fertig mit dem Lernen und bin mir auch nicht sicher, ob ich das je sein möchte. Ein Projekt muss nicht von Anfang an perfekt sein, wenn du es mit dir wachsen lässt, wächst gleichzeitig auch die Authentizität. Was genau bei mir nun so wächst, erzähle ich euch in meinem nächsten Blogbeitrag. 🙂