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Sex happens: Wie Blogger jetzt aufklären

Sex und sexuelle Aufklärung sind in vielen Teilen unserer Welt noch immer ein großes Tabu – vor allem in Amerika: verkümmerter Sexualkunde-Unterricht an den Schulen trifft auf riesige Pornoindustrie. Hinzukommt Donald Trump, der finanzielle Einsparungen in diesem Bereich vornehmen will. Kein Wunder, dass Blogger wie Laci Green die Sache mit dem Sex selbst in die Hand nehmen und mit ihren Videos derzeit offene Türen einrennen. Eine neue Welle der Aufklärung erhebt sich.

Als ich letztens von meinem Urlaub wiedergekommen bin, habe ich mir am Flughafen die englische Ausgabe der Marie Claire (April 2017) gegönnt und darin einen interessanten Artikel über amerikanische und englische Sex-Blogger gelesen. Empfehlenswert! Autorin Rebecca Newman beschäftigt sich darin mit jungen Frauen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Peergroups rund um das Thema Sex aufzuklären. Durch soziale Medien wollen sie die Lücke füllen, die sich an vielen Schulen aufgetan hat, in unserem gesellschaftlichen Umfeld generell. Nach dem Motto: Wenn die Bildungspolitik versagt, übernehmen die Teenager.

A feminist is anyone who recognizes the quality and full humanity of women and men.Gloria Steinem (Journalistin und Frauenrechtlerin)

In ihren Vlogs und Kolumnen sprechen die jungen Frauen über klassische Themen, aktuelle Debatten und existenzielle Fragen: angefangen beim Weg zum Orgasmus, über den eigenen Hormonhaushalt, inklusive Nebenwirkungen der Pille, hin zu Unsicherheiten mit der eigenen Sexualität und dem eigenen Geschlecht. Der springende Punkt ist, dass sich dort jeder angesprochen fühlen darf – ob hetero, homo, bi, trans, genderfluid, oder was auch immer. Es geht um den Menschen. Was die Blogger so erfolgreich macht, ist ihre direkte Art und die Mache ihrer Videos: schnell, lässig, oftmals im Snapchat-Style, ungeschönt. Blutige Hände sind hier nichts Besonderes, geschweige denn etwas Ekliges: Menstruationsblut ist natürlich und steril, so die Message. Außerdem helfe Sex dabei, Krämpfe während der Periode zu lösen.

FUCK YOU, PORN

Laci Green (27) ist eine der Bekanntesten unter den amerikanischen Sex-Ed Bloggern (kurz für: Sexeducation). Ihren ersten Blog startete Green als Teenager, da sie sich von ihrer mormonischen Gemeinde in Utah und der dortigen Erziehung unverstanden fühlte. Wütend war die YouTuberin auch auf die amerikanische Pornoindustrie, die sie als genauso misogyn und realitätsfern wahrnahm. Nachdem sie ihrer Gemeinde den Rücken gekehrt hatte, litt die heute 27-Jährige an schweren Depressionen, bekam sogar Selbstmordgedanken. Auf ihrem YouTube-Channel hat Green, die sich selbst als pansexuell bezeichnet, über 1 Millionen Abonnenten. Sie startete ihn während ihres Studiums in Berkely.

Grab her by the Pussy.Donald Trump

Eine weitere Bekanntheit in der Szene ist Eileen Kelly (21) aus Manhattan. Sie wuchs mit ihrem alleinerziehenden Vater auf und besuchte eine Katholische Schule. Auf der Highschool fühlte sie sich allein und hatte niemanden, an den sie sich mit ihren Problemen wenden konnte. Viele ihrer Freundinnen haben damals abgetrieben. Mit mehr Wissen über den eigenen Körper hätte man das laut Kelly verhindern können. Wegen ihrer eigenen Unsicherheit legte die damals 16-Jährige einen Account auf Tumblr an. Gleichaltrige sollten sich dort sicher über Fragen ihrer Sexualität austauschen können – „Breakups”, „Vagina-Noises”, „Cumming for Girls”, und und und. „Mein Ziel ist es, etwas Positives zu verbreiten: Body Acceptance, Feminismus und Gleichberechtigung.“

SEX IST ZU SEXY

Dass Sex-Blogger auch negatives Feedback bekommen, ist nicht gerade verwunderlich. Dafür ist das Thema (leider) zu tabuisiert. Die Gründe sind unterschiedlicher Natur: Die New York Times etwa veröffentlichte unlängst einen kritischen Artikel mit dem Titel „The Sex-Ed Queens of YouTube Dont´t Need a PhD“. Der Vorwurf: Blogger sind Amateure, keine Ärzte oder Sexualtherapeuten. Stimmt, und birgt sicherlich Gefahren – vernachlässigt aber die Tatsache, dass es gerade der Amateurcharakter ist, der die große Anziehungskraft von sozialen Medien wie YouTube ausmacht. Vor allem für junge User. Ohne Amateurcharakter, kein Gefühl von Authentizität. Ohne dieses Gefühl kein Vertrauen. Eine längere Diskussion.

Ein weiteres Problem ist der Grad zwischen erzieherischem Anspruch und der eigenen Vermarktung, ohne die Blogger wie Laci Green, Eileen Kelly und Hannah Witton (UK) natürlich weitaus weniger Erfolg hätten: „Wenn Videos nur sexy und lustig sind, geht der erzieherische Part verloren. Wenn sie weder das eine noch das andere sind, geht das Publikum“, verdeutlicht die ausgebildete Sexologin Shannon Boodram gegenüber der Marie Claire. Auch sie hat einen eigenen Channel zum Thema.

Kritik gibt es außerdem von den üblichen Verdächtigen, den Cyber-Trollen: Eileen Kelly erwischte es sogar so schlimm, dass die Polizei eingreifen und sie selbst ihren Tumblr-Account löschen musste. Nebenbei ist sie auch auf Instagram unterwegs (@killerandsweetthang). Fotos sind ihr Medium. Dass ihr Lifestyle und ihre sexy Posen nicht zu ihrer eigentlichen Message passen, durfte sie sich ebenfalls anhören. „Das bin einfach ich. Manchmal möchte ich mich einfach sexy fühlen. Ich möchte, dass mein Instagram-Account mich und meinen Blog reflektiert”, betont sie im Interview mit i-D, einer einflussreichen britischen Modezeitschrift, die sich auch mit Jugendkultur beschäftigt. „Früher habe ich meine Fotos bearbeitet, heute fühle ich mich nicht wohl damit, unrealistische Body Images zu verbreiten.“

TRUMP MAG KEINEN SEX(UALKUNDEUNTERRICHT)

Kritik hin oder her, Organisationen wie „Planned Parenthood Federation of America“ (PPFA) freuen sich über die digitalen Influencer. „Planned Parenthood” sorgt in den USA für sexuelle Aufklärung, für Beratung zur Familienplanung und Frauengesundheitsthemen allgemein, klärt über sexuell übertragbare Krankheiten und Krebs auf, stellt Verhütungsmittel zur Verfügung und organisiert  Abtreibungen. „Unter Obama wurde mehr Geld für die Prävention ausgegeben“, sagt Dr. Leslie Kantor von PPFA im Gespräch mit der Marie Claire. „Wir befürchten jetzt einen Rückgang.“ Im Zuge seiner geplanten Kürzungen will Präsident Trump auch an dieser Stelle sparen.

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