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Embrace yourself: Warum wir unseren Körper lieben sollten

Ich behaupte, in unserer schnelllebigen, oft oberflächlichen und von Überschuss gezeichneten Gesellschaft gibt es keinen Menschen, der nicht mit dem Thema „Bodyimage” persönlich konfrontiert wird, gar damit zu kämpfen hat. Jeder Mensch erlebt – mindestens einmal in seinem Leben –, wie es ist, sich äußerlich selbst nicht (mehr) zu gefallen oder vielleicht sogar Opfer von „Bodyshaming” zu werden, was wiederum zum ersten führt.

Der Film „Embrace” handelt von der verloren gegangenen Körperliebe auf dem Weg zur Selbstoptimierung. Ausgelöst von der Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen und der damit stark einhergehenden Einstellung zum Leben. Stichwort Lebensfreude. Aber er erzählt auch von „Body Diversity”, sprich, dass jeder Körper – allein schon genetisch bedingt – anders ist, womit viele Menschen zu kämpfen haben, die dem – vor allem in (sozialen) Medien vorgelebten – Ideal entsprechen wollen.

In „Embrace” wird dieses seit Jahren präsente Problem anhand der Geschichte von Taryn Brumfitt erzählt. Eine Australierin, die mit einem Vorher-Nachher-Foto auf Facebook 2013 und später mit ihrem Body Image Movement weltweit für Aufsehen gesorgt hat. Denn nach der Geburt von drei Kindern hat sich Taryn in ihrem Körper nicht mehr wohl gefühlt. Auch mit dem Älterwerden hatte sie zu kämpfen. Deshalb fing sie an, wie besessen zu trainieren, nahm ab und erreichte mit viel falschem Ehrgeiz ihre Traumfigur. Doch wofür das alles, fragte sie sich, als sie auf der Bühne eines Bodybuilding-Wettbewerbes stand – der Tag, an dem sie merkte, unglücklicher zu sein als je zuvor. Der Tag der Einsicht und der Wende.

IT’s not about being good at something. It’S about being good to yourself.

„Embrace” dokumentiert Taryns Suche nach einer Antwort – warum so viele Frauen ihren Körper hassen (ein starkes, aber wahres Verb), ihn verändern, sich anpassen wollen. Über zwei Monate lang reist sie dafür durch die Welt – spricht mit anderen Frauen, auf der Straße und in der medialen Öffentlichkeit, sowie Experten und sammelt Eindrücke, die in „Embrace” mit ihrer eigenen Story zusammenfinden. Besonders schockierend waren für mich die Szenen von Frauen, die Taryn auf der Straße ansprach und sie aufforderte, ihren Körper in einem Wort zu beschreiben – eines fiel besonders häufig: „Disgusting.” Dass so viele Frauen ihren Körper widerlich, gar Ekel erregend, finden, hat mich tief getroffen – das war mir so nicht bewusst. Die Gänsehaut, die mir in diesem Moment den Rücken hinunterschlich, macht mich auch am Tag danach noch traurig. Zumal ich von keiner dieser Frauen so eine Aussage erwartet hätte.

„An manchen Tagen will ich einfach nur heulen”, sagt zum Beispiel ein junges Mädchen über ihr Aussehen. Man merkt: Das Thema „Bodyimage” ist in den Köpfen weltweit omnipräsent. Auch in Bremerhaven dürstet es nach einer Revolution – zwei komplette Kinosääle sind an diesem Abend ausgebucht, obwohl zunächst nur einer für die einmalige Kinovorstellung des Films geplant war. In vielen Momenten habe ich nachdenkliche Stille erlebt, aber an manchen – und das war das Schönste – ging auch ein ansteckendes Schmunzeln durch den Saal. Nämlich dann, als die Zuschauerinnen sich in den Aussagen der Protagonistinnen wiedergefunden haben. Zum Beispiel beschrieb eine von ihnen, wie leid sie es sei, den ganzen Tag nur darauf zu achten, was sie essen dürfe und was nicht. Wie anstrengend das sei und wie viel kostbare Zeit es in Anspruch nehme. Und wie viel Kraft es sie koste, sich abends noch ins Gym zu schleppen. Zu einer Zeit, wenn sie lieber mit ihren Kindern kuscheln würde. Heute hat sie dazu eine andere Einstellung: „I am just sick of it. It’s just so not worth it. And when my kid bakes a cookie for me. I will eat that fucking cookie.”

Foto: Adobe Stock, Grafik: Lena Gausmann

My personal Story

Grundsätzlich habe ich bei allem, was ich tue, einen sehr hohen Anspruch an mich selbst. Ich habe oft eine genaue Vorstellung von Dingen, wie sie auszusehen oder zu funktionieren haben. Diesen Anspruch hatte ich bis vor einiger Zeit auch an meinen Körper. Denn wie jeder andere sehe ich tagtäglich viele perfekte Fotos – ob bei Instagram, in Modemagazinen oder an Billboards. Fotos mit meist nahezu perfekten Menschen drauf, die mich an mir selbst zweifeln lassen. Nora Tschirner, die den Film co-produziert hat, kennt dieses „Sich-selbst-infrage-stellen” und hat schon ihre eigenen Maßnahmen dagegen ergriffen: „Ich lese keine Frauenzeitschriften mehr”, sagte sie unlängst in einem Interview zum Film. Is ne Möglichkeit. Aber ich denke, dass einen Konfrontation immer stärker macht als Aus-dem-Weg-gehen (∗). Wir sollten eher lernen, unseren Körper trotz aller Schönheitsideale wertzuschätzen und ihn für seine Einmaligkeit zu lieben.

(∗) Waagen meide ich dennoch. Ich bin überzeugt, dass Gewicht relativ ist.

Loving yourself is the greatest revolution.

Denn auch bei mir ging es irgendwann so weit, dass ich meinen Körper angezweifelt habe. Doch manche, wenn nicht sogar die meisten Eigenschaften, lassen sich nicht einfach verändern – weiß ich heute. Trotzdem: Ich habe ihn immer weiter gefordert, um meinem Idealbild jeden Tag ein Stückchen näher zu kommen. Dabei habe ich aus dem Blick verloren, dass es nicht nur meinem Körper sondern auch meiner Seele dabei längst nicht mehr gut ging.

Es braucht natürlich Zeit, diesen Gedanken loszuwerden und einen eigenen Weg zu finden – zwischen gesundem Ehrgeiz und Einfach-mal-chillen. Ich habe seitdem einige Punkte für mich ausfindig machen können, die mir helfen, über diesen Dingen zu stehen:

Höre auf deinen Körper – ernähre dich ausgewogen, treibe Sport zum Ausgleich und für dein Herz. Aber gönn dir hin und wieder was Geiles, um klar im Kopf zu bleiben. Der Rest, deine Körperform und dein Gewicht, ergeben sich daraus. Dann bist du bei dir selbst angekommen. Und der Weg ist frei, um bedingungslos glücklich mit dir zu sein.

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