Kasabian "For Crying Out Loud"

Foto: Kasabian

Kasabian: Klare Ansage mit neuem Album

Meine liebsten, englischen Proleten-Rocker sind mit neuer Scheibe am Start: „For Crying Out Loud“ sprüht vor ihrer berüchtigten Aufs-Maul-Attitüde, ungezwungenem Genremix und ausgelassener Lebensfreude. Es kann sogar mit dem Meisterstück „West Ryder“ von 2009 mithalten.

Endlich, endlich, endlich. Das waren meine Gedanken, als ich mir „For Crying Out Loud“ das erste Mal zu Gemüte geführt habe. Gitarrenriffs, Beats, Message und alle anderen Faktoren passen wieder zusammen, nachdem der Vorgänger „48:13“ (2014) für mich sehr experimentell gewirkt hatte. Drei Jahre später klingen Kasabian authentisch und energetisch. „Das Album hat mein Leben gerettet“, gestand Sänger Tom Meighan im Interview mit dem britischen Musikmagazin NME. 2016 hatte sich seine Partnerin und Mutter seines Kindes von ihm getrennt und ihn damit „im Nebel“ zurückgelassen.

Heute trumpft die Band mit dem auf, wofür ich sie kennen und lieben gelernt habe: ihr liebreizendes In Your Face-Behaviour, mit dem sie, großkotzig wie eh und je, ihre Vormachtstellung in der britischen Musikszene verteidigt. Nach dem Motto: „Hast du ein Problem, Bro? Dann komm und zeig es mir! Obwohl es mir eigentlich scheißegal ist.“

Kasabian beim Lollapalooza in Argentinien 2015.

Kasabian beim Lollapalooza in Argentinien 2015. (Foto: Kasabian)

Getreu dieser Einstellung beginnt das Album mit einem Kracher, der mich sofort in seinen Bann gezogen hat: „Ill Ray (The King)“ ist pure Rock-Anarchie und inhaltlich eine klare Ansage an alle, die sich Kasabian in den Weg stellen: „Look what you’ve got/It’s love that it’s not/Don’t care what they say, be king for a day/be king for a day/Take all you fuckers and blow you away.“ Boxende Drums und gemeinschaftlicher Gesang tun ihr übriges und offenbaren das, was Kasabian für mich sind: eine vierköpfige Gang aus Leicester, die eine Vorliebe für urban-angehauchte Musik mitbringt, nicht nur für Britpop.

Kein Wunder, dass sich an der ein oder anderen Stelle Anleihen aus dem Hip Hop versteckt haben. In puncto Aggressivität sticht auch „Twentyfourseven“ hervor, was im Vergleich zum Opener aber harten Gitarrenriffs geschuldet ist.

Alles nur Gehabe?

Ich kann mir gut vorstellen, dass man die Bandmates von Kasabian schnell als pöbelnde Rüpel degradieren möchte: In Your Face hier, „all you fuckers“ dort. Vier Briten, die ihre Nase immer ein Stückchen zu hoch tragen, den Mund zu voll nehmen und das Erbe ihres Schutzpatrons Noel Gallagher (Oasis) eins zu eins fortführen.

Das würde den Kern ihrer Musik allerdings nicht treffen: Das Genre Britpop bringt per se eine gewisse Überheblichkeit mit sich, wenn nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Dass Kasabian sich früh als Band des kleinen Mannes aus der Arbeiterklasse positioniert haben und seitdem jede Chance nutzen, gegen Widerstände zu wettern, passt schlichtweg ins Konzept. Gefährlich nein, selbstbewusst ja. Und darauf stehe ich. Ab und an die Fahnen des RockʹnʹRoll hochzuhalten schadet nicht.

Das Album hat mein Leben gerettet. Tom Meighan

Auf dem aktuellen Album wird wieder mal deutlich, wie viel Talent in der Band um Mastermind Sergio Pizzorno (Gitarre, Gesang) steckt. Der Stilmix ist extrem lässig und ungekünstelt: Zum Urbanstyle gesellen sich Lieder wie „Good Fight“, die aus den späten 6oern, frühen 70ern, stammen könnten. Ganz im Stile des Songwriter-Duos McCartney/Lennon. Ebenso britisch klingt „The Party Never Ends“, wobei der Song in Sachen Tempo und Gesang mehr an Alex Turner (Arctic Monkeys) erinnert. Gleichzeitig sind Elemente aus dem Italo-Western mit drin. Und wer dachte, dass es kontrastreicher nicht geht: verkiffter Reggae („Sixteen Blocks“) und aufgedrehter Funk finden sich ebenfalls im kreativen Output von Kasabian, Sci-Fi-Atmosphäre und verhalltes Saxofon inklusive („Are You Looking for Action?“).

 Sergio wird sentimental

„For Crying Out Loud“ prescht atmosphärisch schnell nach vorne, wie ein guter Boxkampf. Darauf folgen ruhige Momente, wie ein lauer Sommerabend („Wasted“). Außerdem laute Stücke, die danach schreien, in voller Lautstärke aus der Anlage zu drönen. Mein persönliches Highlight ist das poppige „Youʹre in Love With a Psycho”.

Im letzten Drittel hat mich das Album kurz verloren („All Through the Night“, „Are You Looking for Action?“). Zu viel farbloses „la la“ und „oh oh“. Live vielleicht überzeugender. Mit „Bless This Acid House“ wird die Inszenierung später wieder stadiontauglich. Last but not least: „Put Your Life On It“. Ein emotionaler Song, der sich selbst vor „Hey Jude“ von den Beatles nicht verstecken muss. „Ich beschreibe darin ganz genau, was ich für meine Frau empfinde“, erzählte Sergio. „Wenn man so etwas schreibt, fühlt man sich in gewisser Weise bloßgestellt. Aber es fühlt sich einfach gut an“.

ON TOUR

Dienstag, 31. Oktober 2017, “Columbiahalle” in Berlin
Mittwoch, 1. November 2017, “Mehr Theater” in Hamburg

Weitere Termine gibt es hier.

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