Der Beitrag Have Your Say: Was ich mir zum Geburtstag wünsche erschien zuerst auf NORDKIND.
]]>Wir erleben eine Welt die sich radikal verändert, Herausforderungen die unser soziales Gefüge auf den Kopf stellen können und denen deshalb besonnen begegnet werden muss. Und in Zeiten, in denen die Demokratie von manch einem als Teufelswerk verschrien wird, ist es besonders wichtig, unsere Stimme abzugeben.
Denn wenn die Demokratie mit Gleichgültigkeit und Nicht-Wählen abgestraft wird, kommen ihre Gegner zum Zug. Das sehen wir mit Trump in Amerika, mit dem Brexit in Großbritannien. Ich persönlich habe es in Indien erlebt. Die größte Demokratie der Welt steckt seit dem 26. Mai 2014 in einer tiefen Krise. Narendra Modi, seitdem Premierminister, gestellt von der Bharatiya Janata Party (Indische Volskpartei) ist ein populistischer Nationalist, wie er im Buche steht. Er wird für Massenmorde an Muslimen im indischen Bundesstaat Gujarat verantwortlich gemacht, steht für die „Hindutva”-Politik, die tiefe Überzeugung, dass nur der ein wahrer Inder ist, in dessen Adern indisches „arisches” Blut fließt und für ein Verlassen des demokratischen Pfades.
Seit Modi Premierminister ist, wurden tausende Studenten – auch Freunde von mir – verhaftet und gefoltert, die ihre kritischen Stimmen erhoben haben. Hindu-Fanatiker bringen auf offener Straße Menschen um, die sie verdächtigen Kühe – die heiligen Tiere im Hinduismus – zum Schlachter zu transportieren, das Menschen verachtende Kastenwesen erstarkt wieder und Frauen verlieren ihre Gleichberechtigung.
Und nicht zuletzt hat mein Mann seine Heimat verlassen, weil die Handlanger des dortigen Diktators Yahya Jammeh ihm das Leben schwer gemacht haben. Mein Mann hat sich für die Oppositionspartei engagiert, Wahlkampf gemacht und in der Folge erst seinen Job verloren, dann keinen neuen mehr bekommen. Er hat mitbekommen, wie Familienmitglieder, die ihre Stimme erhoben haben, über Nacht verschwanden und nie wieder gesehen wurden. Irgendwann hat er keinen Ausweg mehr gesehen und ist geflohen. Inzwischen hat in Gambia die Demokratie gesiegt, Jammeh hat das Land unter militärischem Druck der Nachbarstaaten verlassen und „The smiling coast of Africa” erholt sich langsam von seiner dunklen Vergangenheit.
Diese Beispiele zeigen: Die Demokratie, die Herrschaft des Volkes, ist ein großes Geschenk. Wir haben das Recht zu wählen, ich werde es wahrnehmen. Und die von Mutter alljährlich geforderte Geburtstagswunschliste geht dieses Jahr an euch:
Ich jedenfalls stoße am Sonntag darauf an, in diesem freiheitlichen Land zu leben. Auf die nächsten 28 Jahre!
Der Beitrag Have Your Say: Was ich mir zum Geburtstag wünsche erschien zuerst auf NORDKIND.
]]>Der Beitrag Freiheit, Liebe, Glück im Doppelpack: Ein Plädoyer für die Ehe erschien zuerst auf NORDKIND.
]]>Ich fange diesen Text mit ein paar Zahlen an: Die Zahl der Scheidungen sinkt seit zehn Jahren kontinuierlich ab, im Schnitt halten Ehen drei Jahre länger als noch vor 20 Jahren und seit 2013 steigt auch die Zahl der Eheschließungen – wenn auch langsam – wieder. Im Jahr 2015 sind laut statista Deutschlandweit 400.115 Ehen geschlossen worden, dem gegenüber stehen 163.000 Scheidungen, keine schlechte Bilanz.
Hätte mir vor zwei Jahren jemand erzählt, ich würde einen solchen Text schreiben, geschweige denn ich wäre verheiratet, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Damals stand ich am Ende meines Studiums, war gerade aus Indien zurückgekehrt, wollte ins Berufsleben starten und war mit mir selbst einig, dass es jetzt erstmal um mich, meine Karriere, meine Selbstverwirklichung gehen muss – ganz Kind meiner Generation. Doch das Leben, besser, die Liebe kam mir dazwischen und heute bin ich unglaublich froh darüber.
Es gibt diesen klugen Satz von Michael Nast, den ich in einem Artikel der Welt gelesen habe: „Wer sich auf sich selbst beschränkt, verpasst die Liebe.” Sehr wahr. Hätte ich mich, als mein Mann in mein Leben trat, dagegen gewehrt, ich wäre um die wunderbare Erfahrung, eine eigene kleine Familie zu sein, ärmer. Denn das hat sich verändert, trotz allem modernen Herangehen an die Ehe: Wir sind jetzt nicht mehr nur ein Paar, wir sind eine Familie, ein Bund, ein „Wir-gegen-den-Rest-der-Welt”.
Die Ehe ist heute – anders als noch in der Generation unserer Eltern und Großeltern – vor allem ein Liebesbeweis für den Partner. Wir haben uns nicht versprochen, zusammen zu bleiben, bis dass der Tod uns scheidet. Wir haben uns versprochen, alles dafür zu tun, dass es so sein wird. Das ist ein großer Unterschied.
Beziehungen sind instabiler, aber erfüllender.
Und: Dass wir verheiratet sind, heißt nicht, dass wir unsere persönliche Freiheit aufgegeben haben. Wer in einer Partnerschaft das Gefühl hat, nicht mehr frei zu sein, sollte sich tatsächlich fragen, ob sie richtig ist. Franz Neyer, Leiter des Instituts für Psychologie an der Uni Jena, sagt in dem gleichen „Welt”-Artikel: „Partnerschaften sind heute vielfältiger als früher und reflektieren eher die Persönlichkeit des Einzelnen”. Oder einfacher ausgedrückt: „Beziehungen sind instabiler, aber erfüllender.”
In vielen Artikeln, die beschreiben, dass unsere Generation angeblich „beziehungsunfähig” ist, werden oft folgende Gründe genannt, warum das so ist: Wir wissen nicht, was Morgen ist, wollen uns nicht festlegen. Wir wollen rumprobieren können und möglichst frei dabei sein. Wir sind für uns selbst die wichtigsten Menschen im Leben, wir halten uns alle (Partner-) Möglichkeiten offen.
Über die Freiheit habe ich oben schon geschrieben, ich habe sie mit dem Ja-Wort nicht aufgegeben. Ich bin genauso frei in meinem Denken und Handeln wie vor der Ehe. Unfrei machen mich (und das wird viel zu oft in diesem ganzen unserer Generation zugeschriebenen Selbstverwirklichungswahn vergessen) ökonomische Zwänge. Mich macht es unfrei, wenn ich nicht weiß, wie ich im nächsten Monat die Miete zahlen soll. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe in Indien probiert, meine persönliche Freiheit zu leben und – so ist das nun mal in unserer kapitalistischen Welt – sie endet mit der Ebbe im Portemonnaie. Aber das ist ein anderes Thema. Mein Mann jedenfalls nimmt mir nicht meine Freiheit, im Gegenteil: er eröffnet mir neue, seine Welten.
Jeder sucht und braucht jemanden, der ein emotionaler Anker ist, der einen begleitet, beschützt, jemanden, der sich mit einem freut und leidet.
Natürlich bin ich der wichtigste Mensch in meinem Leben. Aber mein Leben ergibt erst Sinn, weil mein Mann, der auch mein bester Freund ist, mein Leben liebt und schätzt. Und neben ihm und mir machen meine Familie und meine Freunde mein Leben erst vollkommen. Einen Grundsatz habe ich seit dem Film „Into the wild” und auch während meiner Reisen verinnerlicht: Glück ist erst vollkommen, wenn man es teilen kann. Mit meinem Mann an meiner Seite teile ich Glück, Liebe, Hoffnung, Freud und Leid. Gemeinsam meistern wir Herausforderungen besser als alleine. Weil zwei Sichtweisen den Horizont erweitern, die Auseinandersetzung miteinander, die Reibung unter- und aneinander und dass wir ihr nicht entgehen können, macht uns beide zu besseren Menschen, gerade weil wir nicht völlig auf uns selbst fixiert sind, sondern uns und unser Verhalten ständig reflektieren müssen. Noch ein Satz von Neyer dazu: „Jeder sucht und braucht jemanden, der ein emotionaler Anker ist, der einen begleitet, beschützt, jemanden, der sich mit einem freut und leidet.” Mein Mann und unsere Liebe sind meine Anker.
Lennart Boscher behauptet in seinem Artikel bei „Ze.tt”, er lasse sich auf seine Partnerinnen ein, aber wolle sich dennoch alle Möglichkeiten offen halten. Das widerspricht sich in sich. Und macht mich nachdenklich: Warum gilt Verbindlichkeit als nicht erstrebenswert? Als wir damals verkündeten, dass wir heiraten wollen, habe ich oft gesagt bekommen, ich sei mutig. Dazu Sokrates: „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit aber, ist der Mut.” Traut euch, liebe Generation beziehungsunfähig!
Der Beitrag Freiheit, Liebe, Glück im Doppelpack: Ein Plädoyer für die Ehe erschien zuerst auf NORDKIND.
]]>Der Beitrag Erde an Rassist: Geht‘s noch? erschien zuerst auf NORDKIND.
]]>Im ersten Moment will ich auf den Balkon gehen und ihn zur Rede stellen, doch ich halte mich zurück. Es bringt doch eh nichts, sage ich mir. Komm, du willst keinen Ärger, steh einfach drüber. Doch so einfach ist es eben nicht. Warum muss immer ich drüber stehen, wenn Rassisten sich daneben benehmen? Klar, ich bin nicht gemeint gewesen, aber es verletzt und entsetzt mich, wenn so über meinen Mann gesprochen wird.
Das ist nicht das erste Mal. Wir sind seit knapp 18 Monaten zusammen, seit sechs verheiratet und in dieser Zeit habe ich eine Seite von Deutschland kennengelernt, die mich entsetzt. Rassismus ist viel allgegenwärtiger als wir glauben. Bewegt man sich nur unter Weißen bekommt man das einfach nicht mit (außer die Kollegen bieten dir – haha – einen Negerkuss an).
Am Samstag zum Beispiel war der Cousin meines Mannes zu Besuch. Die beiden sind in die Stadt gefahren, weil sie Schuhe kaufen wollten. In einem großen, teuren Geschäft hat ihnen ein Paar gefallen, doch es gab nicht die richtige Größe. Also hat mein Mann die Verkäuferin gefragt, ob sie die Schuhe noch auf Lager hat. Anstatt zu antworten, hat sie sich zu ihrer Kollegin umgedreht. „Pass auf die beiden auf, die sind mir nicht geheuer”, hat sie zu ihr gesagt. Mein Mann war so entsetzt, dass er sofort den Laden verlassen und mich angerufen hat. „Die waren so rassistisch, da setze ich nie wieder einen Fuß rein”, sagte er zu mir. Sein Nachmittag war verdorben, zum Schuhe kaufen hatte er keine Lust mehr.
Ich verstehe ja, dass Menschen in Schubladen denken. Das ist halt schön einfach fürs Weltbild (der afrikanische Drogendealer, der stehlende Pole, der stinkende Türke, der arme Bulgare). Aber wo bitte bleibt da die Menschlichkeit? Ich merke doch, ob jemand mich bestehlen will oder eine ernsthafte Kaufabsicht hat. Es ist die Vorverurteilung aufgrund äußerer Merkmale, die mich traurig macht.
Denn es geht hier nicht um ein Kavaliersdelikt oder eine einfache Beleidigung. Die Hautfarbe ist Teil der Identität, die kann man nicht einfach ablegen oder umfärben. Wer jemanden aufgrund seiner Hautfarbe verurteilt, nimmt ihm die Würde. Er handelt respektlos und stellt sich über den Anderen.
Die Triebe der Kolonialzeit sind noch immer spürbar. Der zivilisierte Weiße hält den barbarischen Schwarzen für rückständig, kriminell, ungebildet – einen „Bimbo” eben. So bezeichneten die Kolonialherren die Afrikaner unter ihren Karikaturen, zeichneten sie mit dicken Lippen, krausen Haaren und Baströckchen.
„Was willst du mit dem Affen?” – dieser Satz traf mich so unvermittelt, ich konnte gar nicht reagieren. Wir saßen im Zug von Göttingen nach Hannover, hatten ein schönes Wochenende mit Freunden verbracht. Ein Mann, der irgendwo im Nirgendwo aussteigen wollte, schmetterte mir im Vorbeigehen diesen Satz entgegen. Er wollte einfach böse sein. Anders kann ich mir so ein Verhalten nicht erklären. Der Rassist in ihm musste mal kurz raus, ihm ging es danach wohl besser, mir ging es schlecht. Mein Mann hat Gott sei Dank nichts mitbekommen, er hat geschlafen.
Fucking refugees go home, nobody wants you here.
Aber ich kann ihn nicht vor allem schützen. Weitere Beispiele: In die Metallfahrstuhltür unseres Wohnhauses ritzt jemand „Nigger Nutte”. Er hat sich Mühe dabei gegeben, die Buchstaben sind so tief im Metall versunken, dass man sie nicht weg bekommt. Mein Mann ist daraufhin nur noch ungern alleine im Haus, geht nicht mehr alleine in den Keller zum Wäsche waschen. Wir beide fühlen uns beobachtet und bedroht. Die Hauswartin setzt sich für uns ein, wir sind ihr unendlich dankbar.
Als mein Mann auf dem Nachhauseweg an einer großen Straße entlang läuft, verlangsamt ein Auto neben ihm das Tempo. Ein Mann kurbelt das Fenster runter und schreit ihn an: „Fucking refugees go home, nobody wants you here.”
Im Supermarkt nimmt ihn der Ladendetektiv zur Seite, mein Mann muss den Rucksack ausräumen, den Kassenbeleg vorzeigen. Seitdem lässt er sich immer den Bon geben.
Die Polizei kontrolliert ihn ständig. Insbesondere im Bremer Viertel und am Mannheimer Neckarufer muss er sich jedes Mal ausweisen – manchmal die Hosen runter lassen. Einfach nur, weil er ins Raster passt. Schwarz, dünn, jung, moderne Klamotten ist gleich Drogendealer. So einfach wie es für die Polizei ist, so unangenehm ist es für meinen Mann. Er nimmt jetzt andere Wege, wenn möglich.
Mir bleibt nur, ihn zu trösten, so viel wie möglich zu erklären und das Thema öffentlich zu machen. Alltagsrassismus ist genau das: Alltag. Nicht für uns Weiße, aber für die Schwarzen (und alle anderen die ein bisschen anders aussehen) schon. Mich macht das traurig. Drüberstehen will ich nicht mehr. Das nächste Mal – habe ich mir vorgenommen – stelle ich den Nachbarn zur Rede. Ich mag ihn ohnehin nicht mehr.
Anmerkung: Der Mann der Autorin bezeichnet sich selbst mit Stolz als „schwarz”, deswegen hat sie das so übernommen.
Der Beitrag Erde an Rassist: Geht‘s noch? erschien zuerst auf NORDKIND.
]]>