Foto: Arnd Hartmann

Ein Pieks, der Leben rettet

Der Venenstauer ist fest um meinen linken Oberarm gezogen. Zuerst kribbeln nur meine Finger, dann die ganze Hand. Mein Arm fühlt sich an wie ein Luftballon, der kurz vor dem Platzen ist, während Viola Dahlke nach meiner Vene tastet. Sie desinfiziert meine Armbeuge mit einem Tupfer. Langsam werde ich doch nervös. Mein Herz schlägt schneller. Am besten wegschauen, sage ich mir selbst. Ich mochte Nadeln noch nie.

Heute ist Tag der Blutspende. Seit Jahren habe ich mir immer wieder vorgenommen, Blut zu spenden. Doch immer kam etwas dazwischen: die Arbeit, der Schnupfen, die Freizeitpläne. Damit ist jetzt Schluss, habe ich mir gesagt.

Jetzt keine Ausreden mehr. (Foto: Arnd Hartmann)

Um Punkt 15 Uhr stehe ich also vor der DRK-Sozialstation in Cuxhaven. Vier andere Spender warten bereits vor der Tür, in der Hand haben sie einen kleinen gelben Ausweis. Ich stelle mich in die Schlange und zwei Minuten später stehen drei weitere Spender hinter mir. Bei diesem Andrang in den ersten Minuten kann ich kaum glauben, dass nicht genug Blut gespendet wird.

Knapp drei Prozent der Deutschen spenden derzeit ihr Blut. Damit die Versorgung langfristig gedeckt wird, müssten sechs Prozent mehrmals im Jahr spenden. Expertenschätzungen zufolge brauchen 80 Prozent aller Deutschen einmal im Leben eine Blutkonserve. Durch die älter werdende Bevölkerung und neue medizinische Methoden steigt der Bedarf weiter – doch gerade junge „Nachwuchsspender“ bleiben aus.

Viele Fragen

Ich zeige an der Anmeldung meinen Personalausweis und bekomme einen Fragebogen in die Hand gedrückt. Zwei DIN-A4-Seiten voller Fragen zu meinem Wohlbefinden, Krankheiten, Auslandsaufenthalten. (Viele der Fragen hatte ich im Vorfeld schon einmal beim DRK-Spende-Check beantwortet – eine gute Möglichkeit, um zu testen, ob man spenden darf.) Danach ein kurzer Check: Meine Körpertemperatur ist mit 36,9 Grad im grünen Bereich. Dann ein kleiner Pieks in den Finger, um den Hämoglobinwert im Blut zu messen. 14,1 Gramm pro Deziliter sind es, 12,5 müssen es mindestens sein.

Dann geht es weiter zum Arzt. „Wie viel haben sie heute getrunken?“, fragt Teamarzt Reinhard Walder. Zweieinhalb Liter. „Sie müssen um diese Uhrzeit mindestens eineinviertel Liter getrunken haben. Wenn Sie zu wenig trinken, sind sie ein Kandidat für einen Kreislaufkollaps“, erklärt er. Auch gegessen haben sollte man. „Nicht leer, nicht überfüllt“, sagt Walder.

Wenn jemand Blut abnehmen kann, dann die hier. Sie machen es jeden Tag.

Draußen treffe ich auf Bernward Kaltegärtner, den Ehrenamtskoordinator des DRK Cuxhaven/Hadeln. Er muss mir die Nervosität wohl angesehen. „Wenn jemand Blut abnehmen kann, dann die hier. Sie machen es jeden Tag“, versucht er mich zu beruhigen. An der nächsten Station werden vier kleine Laborröhrchen und Blutbeutel mit Aufklebern versehen, dann darf ich auf die Liege. „Links oder rechts?“, fragt Viola Dahlke noch, dann liege ich da, bereit für die Nadel. Äußerlich zumindest, innerlich nicht. Ich schaue an die Decke, ein kleiner Druck, ein kurzer Schmerz, das war‘s. Kaltegärtner hatte recht.

Zurerst füllt Viola Dahlke die Röhrchen voll. Mit einem wird meine Blutgruppe bestimmt. Die anderen werden im Labor auf Krankheiten wie Hepatitis, HIV oder Syphilis untersucht. 18 Stunden dauert es etwa, bis mein Blut freigegeben wird – sofern alles okay ist. Wenn nicht, bekomme ich in den kommenden Tagen Bescheid.

​Das Blut in der Konserve wird noch aufbereitet: Die roten Blutkörperchen, Blutplättchen und das Plasma werden getrennt und die weißen Blutkörperchen entfernt, weil sie bei der Transfusion für Nebenwirkungen sorgen. Rund 19 Prozent des gespendeten Bluts werden für Krebspatienten eingesetzt, 16 Prozent für Menschen mit Herzleiden und wiederum 16 Prozent für Magen- und Darmerkrankungen. Lediglich zwölf Prozent werden für Unfallopfer benötigt.

530 Milliliter

Damit bei mir genug Blut fließt, bekomme ich einen Stressball, den ich kneten soll. Und dann ist es schon vorbei. 5 Minuten, 48 Sekunden. „Fünf Minuten sind sensationell für eine Erstspenderin“, freut sich Viola Dahlke. „Die Spenden dauern in der Regel zwischen 5 und 15 Minuten.“
530 Milliliter Blut sind im Blutbeutel gelandet, gute 30 Milliliter zudem in den Röhrchen. Ein 70 Kilogramm schwerer Mensch hat etwa fünf bis sechs Liter Blut. Gar nicht so schlimm, davon etwas abzugeben, denke ich. Und ein paar belegte Brötchen gibt es auch noch.