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Warum wir endlich ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen

Es klingt wie ein Traum. Jeden Monat bekommt jeder Bürger ein festgelegtes Einkommen. 1000 Euro zum Beispiel. Ohne Gegenleistung. Ohne Bedingungen. Diese Idee, das bedingungslose Grundeinkommen, ist hierzulande heftig umstritten. Die einen nennen es sozialpolitische Revolution. Die anderen fürchten den Untergang der Arbeitsmoral. Ich finde: Man muss darüber diskutieren. Denn unsere Arbeitswelt wird sich durch die Digitalisierung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten massiv verändern. Abgesehen davon schafft Hartz IV vieles, nur nicht das, was es eigentlich ermöglichen sollte: ein menschenwürdiges Leben.

Möchten wir ein bedingungsloses Grundeinkommen oder nicht? Diese Frage könnte man auch anders stellen, provokanter: Wollen wir frei und selbstbestimmt leben? Oder weitermachen wie bisher? Hartz IV ist gescheitert, das muss die Politik endlich einsehen. Sie doktort seit Jahren an einem System herum, das einer Perversion gleicht, zutiefst unsozial und entwürdigend ist. Hartz IV hat dafür gesorgt, dass Erwerbslose von vielen zu Drückebergern und Sozialschmarotzern erklärt werden. Dass eine überbordende Sozialstaatsbürokratie entstanden ist – mit kaum zu überblickenden Regeln, Vorschriften und Ausnahmen.

Bezug zur Realität verloren

Dabei sollte mit der Hartz-Reform doch alles besser werden. Die Hoffnungen waren groß, als die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder 2005 die alte Sozialhilfe durch Hartz IV ersetzte. Heute ist klar: Man hat ein Bürokratiemonster erschaffen, in dem über die Hälfte der Jobcenter-Mitarbeiter damit beschäftigt ist, Leistungen zu berechnen. Das ist das Eine. Das Andere ist: Hartz IV verstößt gegen die Würde des Menschen. Was sagte CDU-Politiker Jens Spahn vor einiger Zeit? „Hartz IV bedeutet nicht Armut.“ Blanke Überheblichkeit von einem Mann, der offenkundig jeden Bezug zur Realität verloren hat. Der Satz flog dem Gesundheitsminister vollkommen zu Recht um die Ohren.

Verhungern muss dank Hartz IV keiner, das stimmt. Doch das reicht nicht. In Würde leben kann nur, wer auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Und genau das geht mit Hartz IV nicht.

Millionen Arbeitsplätze verschwinden

Niemand kann leugnen, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinandergeht. In einem der reichsten Länder dieser Welt. Paradox. Die Digitalisierung wird dieses Problem in den nächsten Jahrzehnten verschärfen, Millionen Arbeitsplätze werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verschwinden.

Die Lösung heißt Grundeinkommen. Kein solidarisches, wie es Berlins Bürgermeister Michael Müller unlängst forderte. Sondern ein bedingungsloses. Die Idee, dass der Staat Langzeitarbeitslosen einen gemeinnützigen Job auf Mindestlohnniveau anbietet, erinnert stark an die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den 90er Jahren. Damit würde ein neuer Billiglohn-Sektor für die Kommunen entstehen. Mehr aber auch nicht.

Dass sich keine der großen Parteien geschlossen für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausspricht, ist schade. Man darf die Idee nicht kategorisch ablehnen und jeden Versuch, den Kapitalismus sozialer zu gestalten, reflexartig als linke Träumerei abtun. Die Politik hat verlernt, visionär zu sein. Zukunftsorientiert zu handeln. Es ist Zeit für ein bisschen mehr Radikalität.