Foto: Arnd Hartmann

Studentenleben in Bremerhaven: „Die Stadt hat mehr Potenzial!”

Konstantin (auf dem Bild von links), Maja, Mattes, Sintje, Emine und Merle leben gemeinsam in einer WG.  Ihr siebter Mitbewohner heißt Horst und ist aus Pappkarton. Sie studieren an der Hochschule in Bremerhaven – Horst hingegen studiert das Leben. Die Puppe und das Studium haben sie zusammengebracht und nun leben, lernen, lieben und feiern sie in Bremerhaven. Aber ideal läuft es nicht für junge Menschen in der Seestadt, finden die Studenten.

Direkt am Anfang der „Alten Bürger“ steht ein großes rosafarbenes Haus. Der gut-bürgerliche Altbau mit der Nummer 133 wird fast ausschließlich von Studenten bewohnt. Auch eine der größten WGs in Bremerhaven ist hier zu finden. Für Nordkind Luise haben die sechs Studenten die Tür ihrer 210 Quadratmeter großen Wohnung geöffnet und erzählen von ihrem Studentenleben. „Insgesamt ist Bremerhaven ein Geheimtipp für Studenten“, fasst die 21-jährige Studentin Emine Koca zusammen. „Aber die Angebote und das Verständnis für unsere Bedürfnisse sind nicht gut – die Stadt hat viel mehr Potenzial!“

Studentenleben 🙂

„Bevor ich hergezogen bin, hatte ich von Bremerhaven nicht gerade viel positives gehört. Aber jetzt finde ich es toll hier – es ist mehr los als erwartet!“, strahlt die 19-jährige Merle Henning aus Stade. Seit diesem Semester studiert sie „Biotechnologie der Marinen Ressourcen“. „Ja, wenn man herkommt, ist durch die Ersti-Woche mega viel los, aber danach flaut es ganz schön ab“, relativiert der 20-jährige Mattes Leibenath. Er ist bereits im dritten Semester von „Transportwesen/ Logistik“ und hat die Erfahrung gemacht: „Der Spaßfaktor ist hier periodisch und im Winter ist es sehr trist.“ Dafür genießen sie es bei gutem Wetter umso mehr, am Deich zu grillen oder an den Spadener See zu fahren.

Gefeiert wird hauptsächlich in den verschiedenen Wohngemeinschaften der Alten Bürger. Besonders in den Häusern, die ausschließlich von Studenten bewohnt sind, werden regelmäßig WG-Partys veranstaltet. „Meistens organisieren wir sowas ganz spontan über Whats-App“, erklärt Mattes. Zwischen 10 und 40 Studenten kommen im Regelfall zu diesen Feiern. Es sei denn, die Tür steht für jeden offen, dann können es weit mehr werden. „Das Schöne hier ist, dass man sich untereinander kennt und sich auch spontan treffen kann. Es ist ein familiäres Umfeld“, beschreibt der „Maritime-Technologie“-Student Konstantin Brandl aus Frankfurt das Studentenleben.

Ausgehen 🙁

Bei einem sind sich alle einig: Es gibt in Bremerhaven keine guten Möglichkeiten, um auszugehen. Weder, wenn man essen oder Kaffee trinken und erst recht nicht, wenn man feiern gehen will. „Wir haben nicht mal Starbucks“, kritisiert Mattes. „Das ist jetzt auch kein Muss“, erwidert der 21-jährige Konstantin. „Aber ein paar junge, schöne Cafés fehlen“, findet Emine. „Das stimmt!“, Konstantin nickt. „Aber das „Café national und die Milchbar sind ganz cool“, fügt er nach einer kurzen Pause noch hinzu. Wenn die Studenten überhaupt essen gehen, dann im „Aboujad“. Dort gibt es Falafel für zwei Euro. Ansonsten kochen sie lieber gemeinsam in ihrer WG.

Das größte Problem sehen sie allerdings in den wenigen Feier- und Tanzlocations. Ab und zu gehen sie ins Yesterday, noch seltener in die Nachtschicht. „Ich fände es gut, wenn ältere Menschen mehr Verständnis für das Studentenleben hätten.“ Seit vor etwa einem Jahr die „Hochschul-Fete“ und der „Bürgermove“ ausgefallen sind, haben die Studierenden den Eindruck, ihre Bedürfnisse spielten keine große Rolle in der Stadt. „Vielen Einwohnern passt scheinbar das Studentenleben nicht und die Politik stellt sich mehr auf deren als auf unsere Seite. Auch die Hochschul-Party wurde vor einem Jahr wegen Beschwerden über Lärmbelästigung abgesagt“, erzählt Emine Koca sachlich. „Das waren immer unsere einzigen Highlights!“, macht Mattes die Dramatik der Situation mit einem Augenzwinkern deutlich. In diesem Jahr fand immerhin die Hochschul-Fete aber wieder statt.

Die Studenten wünschen sich mehr Angebote für junge Menschen in Bremerhaven. Weil es zu wenig Clubs gibt, feiern sie meistens in den WGs. (Foto: Arnd Hartmann)

(Kultur-)Veranstaltungen 🙁

„Ich gehe ab und zu ins Theater – ich finde es echt gut, dass es die Theater-Flatrate der Hochschule gibt“, sagt Emine. Die anderen WG-Bewohner stimmen dem zwar generell zu, nutzen die Freikarten des Stadttheaters für Studenten aber nicht. „Wenn ich irgendwo hingehe, dann eher zum Basketball“, sagt Konstantin, „oder zum Weser-Jacht-Club. Wegen der Kooperation mit der Hochschule konnte ich da preiswert meinen Segelschein machen“, freut er sich. „Es gibt hier zwar einige Veranstaltungen, aber es fehlen einfach welche, die auf Studenten ausgerichtet sind“, findet Emine. Maja Lehmann sieht das genauso: „Ich war zum Beispiel beim Musiksommer, aber da gehen halt kaum Studenten hin – Coverbands sind eher was für ältere Leute.“ „Außerdem ist auch das Finanzielle ein Thema“, ergänzt Mattes. „Bei vielen anderen Veranstaltungen gibt es keinen Studentenrabatt und dann kann man sich das kaum leisten.

Ein weiteres Problem sehen die Studenten in der mangelnden medialen Verbreitung der Veranstaltungsangebote: „Man bräuchte hier eine gute Übersicht – am besten über Social Media, dann sieht man auch, welche Leute sich für eine Veranstaltung interessieren und wird vorher daran erinnert“, ist Konstantin Brandl überzeugt. Besonders wünschen sich die Studenten „einen Ort, wo man sich kreativ austoben und eventuell Partys veranstalten kann. Ein Kulturzentrum zum Beispiel“, schlägt Emine vor.

Wohnen 🙂

Mit 43 Prozent leben die meisten Bremerhavener Studenten in Wohngemeinschaften – das ist deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 30 Prozent. Die Kosten für ein WG-Zimmer sind mit etwa 305 Euro unterdurchschnittlich. Neben den Studentenhäusern 133, 137, 161 und 214 in der Alten Bürger und anderen Wohngemeinschaften in Mitte, wohnen die meisten Studenten in Lehe und Geestemünde.

Die sechs Studierenden aus der 133 sind sich aber einig: in der Alten Bürger lebt es sich am besten. Maja Lehmann hat vorher in einer weniger zentral gelegenen WG gewohnt und ist erst durch ihren Umzug in die Alte Bürger richtig im Studentenleben angekommen. „Es hängt schon davon ab, wo man wohnt. Wenn man hier lebt, kennt man einfach viele Studenten“, erklärt Konstantin. „Allgemein kann man in Bremerhaven günstig und sehr schön wohnen“, beschreibt Emine die Vorzüge des entspannten Wohnungsmarktes für Studenten.

Allerdings leben auch nur 1.250 von 3.000 Studierenden der Hochschule direkt in der Seestadt. „Aber wenn man nicht hier lebt, ist man auch nicht wirklich in das studentische Leben integriert“, weiß Emine. Alle sechs sind froh, in einer der größten Bremerhavener WGs untergekommen zu sein. Sie genießen das Zusammenleben – aber natürlich gibt es auch hier die üblichen WG-Schwierigkeiten mit Ordnung und Sauberkeit. Ihr Putzplan mit Lama-Motiven soll dabei helfen, das Problem in den Griff zu bekommen.

In dem Haus mit der Nummer 133 am Anfang der “Alten Bürger” leben fast nur Studenten in Wohngemeinschaften. (Foto: Arnd Hartmann)

Infrastruktur 🙁

„Die meisten Studenten fahren mit dem Fahrrad oder laufen – wenn man zentral wohnt, sind es ja auch nur kurze Wege“, gibt Mattes an. Ihm selbst wurde allerdings gerade sein Fahrrad gestohlen – „Das passiert hier schon öfter“, hat er den Eindruck. Merle Henning fügt hinzu: „Deshalb habe ich mir extra ein gebrauchtes Fahrrad gekauft als ich hergezogen bin. Mein gutes Rad wollte ich nicht mitnehmen.”

Auch von den Busverbindungen sind sie nicht gerade begeistert: „Es ist eine Frechheit, dass man hier schon nach 19 Uhr mehr als 15 Minuten auf einen Bus warten muss“, ärgert sich Mattes, seit er nicht mehr Fahrradfahren kann. Auch Merle Henning bestätigt: „Wenn man mit dem Bus fahren muss, sollte man immer mehr Zeit einplanen.” – „Na ja, so schlimm finde ich es jetzt auch nicht – ich hatte eigentlich nie Probleme“, erwidert Emine . Allerdings nutzt sie selbst die öffentlichen Verkehrsmittel nur selten.

Konstantin fährt hingegen mit dem Auto: „Darauf bin ich aber nicht stolz. Ich mache das aus Bequemlichkeit.“ Zum Einkaufen oder für Ausflüge wird das Auto aber auch gerne von den anderen Bewohnern in Anspruch genommen.

Studenten in Bremerhaven

Von knapp 3000 Studierenden haben laut Hochschule rund 1250 den Erstwohnsitz in Bremerhaven (gut 41 Prozent). Etwa 20 Prozent leben in der direkten Umgebung.

Knapp 39 Prozent wohnen laut Meldeadresse weiter weg, pendeln entweder nach Bremerhaven (zum Beispiel von Bremen) oder sind nur noch offiziell bei den Eltern gemeldet. 43 Prozent der Studierenden in Bremerhaven leben laut einer Studie der Universität Bremen in Wohngemeinschaften. Durchschnittliche Zimmergröße: 18,24 Quadratmeter.