Foto: Adobe Stock, Montage: Daniel Gefers

Frau Leckermeyer weiß, was Seemänner wollen

Frau Leckermeyer und ihre Kunden haben ein inniges Verhältnis: Schon lange ist die Bremerhavenerin für die Süßwarenabteilung in der E-Center-Filiale am Roten Sand zuständig. Besonders bei Seeleuten ist das süße Kakao-Erzeugnis beliebt, weiß sie. Im Bremerhavener und im Hamburger Seemannsclub wird ebenfalls viel Schokolade gekauft – und zwar das ganze Jahr über.

Ein bisschen schüchtern sei sie, sagt Jens Knauer, Leiter der E-Center-Filiale am Roten Sand. „Aber wenn es jemand verdient hat, auf das Foto fürs Blogazine zu kommen, dann Frau Leckermeyer”. Knauer macht eine Durchsage: „Frau Leckermeyer bitte zu den Süßwaren, tönt es durch den ganzen Supermarkt.” Einige Zeit vergeht. „Frau Leckermeyer, bitte,” heißt es erneut.

Auf leisen Schuhen kommt Waltraut Leckermeyer um die Ecke. „Entschuldigen Sie, ich arbeite nebenbei auch noch an der Kasse”, erzählt sie daraufhin. Mit der Betreuung der Süßwarenabteilung könne das teilweise ganz schön viel Arbeit machen.

Tag ein Tag aus: Die Nachfrage bleibt stabil

Das E-Center am Roten Sand hat eine Besonderheit, die es von anderen Filialen in Bremerhaven unterscheidet – seine Nähe zum Hafen. „Das ganze Jahr über kaufen Seeleute bei uns ein”, berichtet Leiter Jens Knauer. „Am liebsten natürlich Schokolade.”

Waltraut Leckermeyer weiß, was Seemänner wollen. (Foto: Janina Kück)

Der Grund dafür ist simpel: „Im internationalen Vergleich ist Schokolade in Deutschland einfach günstiger. Und gut schmecken täten die heimischen Produkte schließlich auch.” Das wissen natürlich auch die Seeleute. Es sei schon mal vorgekommen, erinnert sich Knauer, dass ein einzelner Seemann 20 Kartons gekauft habe. Und in einen Karton passen immerhin 25 bis 35 Tafeln.

Ein typisches „Seefahrer-Schoko-Kaufverhalten” hätte Knauer aber noch nicht beobachten können: „Es gibt wie gesagt Seeleute, die sich 20 Kartons mitnehmen, aber auch solche, die nur 3 Kartons oder ein paar Tafeln kaufen.” Das sei eben individuell verschieden. Der Großteil kaufe die süße Fracht für den Eigenbedarf und vor allem für die Familie zuhause.

In Hamburg geht die meiste Schokolade über den Tisch

„Es gibt auch keine saisonalen Besonderheiten, wenn es um den Schokoladenverkauf an Seeleute geht”, sagt Jens Knauer. Tatsächlich bleibe er das ganze Jahr über stabil. Auch an Weihnachten sei das so. „Zum Fest, das heißt im November und Dezember, kaufen die Seemänner allerdings mehr Pralinen, um sie später zu verschenken.”

Ihr Verlangen nach Süßigkeiten können die Männer, die teilweise Monate auf See verbringen, aber nicht nur in Supermärkten stillen, Dafür gibt es in Bremerhaven zwei Standpunkte der Deutschen Seemannsmission: Das Seemannsheim, Schifferstraße 51-55, und den Seemannsclub, An der Nordschleuse 1. „Im Heim begrüßen wir jährlich etwa 10 000 Gäste, im Club 30 000”, berichtet Dirk Obermann von der Seemannsmission. „Bei uns gibt es auch Schokolade. Das ist doch klar.” Die Tafeln seien aber genauso teuer wie im Supermarkt, betont Dirk Obermann. Schließlich wolle man sich nicht bereichern, sondern sich um die Versorgung der Seemänner kümmern, sie versorgen und ihnen einen Zufluchtsort bieten. „Die Leute sind so lange von zuhause weg”, sagt Obermann, „da ist es doch schön, wenn sie wissen, dass auch hier jemand an sie denkt. Unsere Diakonin besucht sie auch an Bord.”

Schokolade ist gut für die Seele.

Zusammen mit Hamburg ist Bremerhaven der größte Standort der Seemannsmission in Deutschland. „Das kommt schon allein wegen der Größe der Häfen”, erklärt der Bremerhavener. Vom Schokoladenverkauf können seine Hamburger Kollegen also auch ein Lied singen. Im Seemannsclub Duckdalben wird pro Monat fast eine Tonne Schokolade verkauft, das sind durchschnittlich mehr als 300 Tafeln pro Tag. In Relation zur Verkaufsfläche geht dort also die meiste Schokolade in der ganzen Stadt über die Ladentheke – davon sind zumindest die Verantwortlichen überzeugt. Wenn im Sommer die Besatzungen der Kreuzfahrtschiffe kommen, verdoppelt sich der Umsatz sogar.

„Schokolade ist gut für die Seele”, sagt Anke Wibel gegenüber Thomas Morell (epd). Zusammen mit Jan Oltmann leitet sie den Duckdalben. „Auf den Hochsee-Schiffen herrsche mittlerweile Rauch- und Alkoholverbot”, sagt Lars Kostka, der sogenannte Weltempfänger im Duckdalben. Schokolade sei also wichtige Nervennahrung.

Was das Kaufverhalten angeht, gebe es allerdings Unterschiede zwischen den Nationen: Während sich zum Beispiel russische Seeleute eher für den Eigenbedarf eindecken, würden Philippinos – die größte Besuchergruppe – überwiegend für die ganze Familie einkaufen. „Es muss aber deutsche Markenschokolade sein”, betont Lars Kostka. Ritter Sport oder Milka seien der Renner unter den internationalen Gästen, gefolgt von Toblerone und Ferrero Rocher. Die Geschmacksrichtung sei weniger wichtig.

Im E-Center in Bremerhaven ist es ähnlich: „Deutsche Schokolade kommt gut an”, bestätigt auch Marktleiter Knauer. Auch dort waren es die Marken Ritter Sport und Milka, die am häufigsten verkauft worden seien. Nur noch die Eigenmarke von Gut&Günstig sei beliebter: „Von unserer Vollmilch-Schokolade waren es im vergangenen Jahr 40 000 und von unserer Haselnuss-Schokolade sogar 50 000 Tafeln.” Lars Kostka, vom Hamburger Seemannsclub erinnert sich indes noch an einen Seemann, der vor einiger Zeit eine Rabatt-Aktion im Duckdalben genutzt und mit der gekauften Schokolade die gesamte Schule seiner Frau versorgte: „Später hat er uns Fotos gezeigt. Jedes Kind hat eine Tafel in der Hand gehalten. Es war einfach schön.” Der Mann sei natürlich der Held in seinem Dorf gewesen.

Frau Leckermeyer: Gute Vorbereitung ist alles

Und wie geht Frau Leckermeyer damit um, dass die Seemänner so gerne naschen?  „Unser Regal ist nicht so groß wie das in manch anderen Supermärkten”, gibt sie zu, „aber dafür ist es viel stärker aufgefüllt.” Das müsse schon sein, um die enorme Nachfrage bewältigen zu können. Gleiches gelte für zwei bis drei Rollcontainer, die mit Nachschub gefüllt sind und die das ganze Jahr über im Lager warten. „Schade, heute können Sie die Container leider nicht mehr fotografieren”, sagt Jens Knauer. „Das Regal war mal wieder leer. Frau Leckermeyer hat es aber wieder aufgefüllt.”

One Comment

  1. Jule

    Ist so. Als ich auf See war, war immer eines der konstanten Probleme, wo der Schokoladennachschub herkommt. Alles andere hat man ja eigentlich da. An Bord wird zwar auch vom Kapitän Schokolade verkauft (und Zigaretten, Bier, Softdrinks, Knabberkram, je nach Schiff), aber der Preis richtet sich natürlich nach dem Land, in dem man den Vorrat übernommen hat. Vor Singapur hat der Kapitän uns gefragt, ob wir bis zum nächsten Hafen auf Schokolade verzichten könnten, weil der Preis für die Tafel da bei über 5$ pro Stück lag. Obwohl wir schon bereit waren für importierte Ritter Sport etwas mehr als in Deutschland zu bezahlen, war uns das dann doch ein bißchen zu viel. Zum Glück gibt es wirklich auf der ganzen Welt deutsche Schokolade (im nächsten Hafen dann 2,40$ glaub ich, das ist vertretbar), wenn das irgendwann mit deutschem Brot funktioniert, wären noch mehr Seeleute glücklich 😀

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