Foto: Janina Kück

The Royal Barber Club: Über die letzte Bastion der Männlichkeit

Langer Bart. Gestriegelter Scheitel. Tunnel in den Ohren. Tattoos am ganzen Körper: Norman ist der Inbegriff des modernen, stilbewussten Mannes. Ohne Sakko und Weste sieht man ihn selten. „Man muss diesen Stil leben oder man sollte es lassen”, sagt der gelernte Frisör, der vor kurzem den Royal Barber Club in Bremerhaven eröffnet hat. Genießen sollen seine Kunden dort. „In Zeiten der Emanzipation hatten wir Männer einfach nichts eigenes mehr”, betont Norman. Ein Bericht über die letzte Bastion der Männlichkeit.

„Ich freue mich, dass du dir Zeit für uns genommen hast”, begrüßt mich Norman Möbius, als ich seinen Royal Barber Club in der Lloydstraße in Bremerhaven betrete. Sein Händedruck ist fest. „Ich habe mir extra zwei Stunden für dich geblockt”, sagt er. „Natürlich habe ich mir Zeit für dich genommen”, erwidere ich ehrlich. Schließlich möchte ich erfahren, was sich für ein Mensch hinter diesem interessanten Salon versteckt.

Aufmerksam gemacht hatte mich das Logo des Royal Barber Clubs, das mich jeden Morgen von den Fensterscheiben aus anlächelt, wenn ich mich mit dem Bus zur Arbeit aufmache: ein überdimensionaler Totenkopf mit Bart und Scheitel auf gekreuzten Rasierklingen.

Beruf kommt von Berufung

Norman und ich nehmen auf den beiden Leder-Sofas im Eingangsbereich Platz. Auch Sonja, seine Mutter, die den Laden mitbetreibt, und Kim, seine  Auszubildende, kommen dazu. Familiäre Atmosphäre, denke ich. Norman trägt ein weißes Hemd, mit einer blauen Weste. Klassisch. Seine Tattoos komplettieren das Bild. Ob er sein Outfit an den Stil des Ladens anpasse, möchte ich von ihm wissen. „Nein, das tue ich nicht”, antwortet der 32-Jährige. „Nie. Der Laden sieht so aus wie ich – und nicht andersherum.” All das hier spiegele ihn und seinen Stil wieder.

Mit Leder-Schürze: Ein junger Barbier in traditioneller Arbeitskleidung. (Foto: Janina Kück)

„Im Moment gibt es viele, die sich einen langen Bart wachsen lassen und denken, dass sie dadurch besonders cool, stilbewusst oder sowas in der Richtung wären. Aber das stimmt nicht. Das meiste ist aus meiner Erfahrung nur aufgesetzt. Man muss diesen Stil lieben oder man sollte es lassen.” Er würde zum Beispiel niemals mit einer Jogginghose aus dem Haus gehen, ergänzt er. Auch nicht zum Brötchen holen. „Das bin ich nicht.” Eine Jogginghose gehöre ins Fitnessstudio oder auf die heimische Couch. Nicht auf die Straße. Klare Ansage, denke ich. Anfangs zugegeben noch ziemlich unschlüssig, was ich von diesem, ja beinahe übersteigerten Stil- und Selbstbewusstsein, halten soll. Ist das Arroganz? Nein, ist es nicht.

Langsam stellt sich bei mir der Eindruck ein, ganz gut erfassen zu können, was Norman in seinem Beruf antreibt: Dieser Mann ist überzeugt von dem was er tut. Er lebt dafür und möchte dieses Gefühl nach außen hin transportieren. Fast missionarisch, meiner Meinung nach: „Bei der Arbeit muss ich mich manchmal selbst ausbremsen”, erzählt er mir. „Früher habe ich 17 Stunden am Tag gearbeitet. Das war zu viel, auch für meine Gesundheit. Aber ich bin ein ehrgeiziger Mensch. Und Beruf kommt nun mal von Berufung.”

Zurück in den Heimathafen

Geboren ist Norman Möbius in Bremerhaven. Aufgewachsen ist er in Langen. Der heute 32-Jährige hat ein Fachabitur in Mode und Design gemacht und im Anschluss noch ein Studium in Textil-Technologie und Textil-Management oben drauf gesetzt. Währenddessen lebte er in Mönchengladbach, Köln und Düsseldorf.

Die Entscheidung, noch eine Ausbildung zum Frisör zu machen, habe sich aber schon in seiner Jugend abgezeichnet: „Unsere ganze Familie hat einen Bezug zu diesem Handwerk. Und ich habe schon früh im Salon meiner Mutter mitgeholfen”, sagt Norman. „Als junger Mensch, so denke ich, muss man sich aber erst einmal beweisen. Beziehungsweise: Man hat als junger Mensch den Drang dazu, sich beweisen zu müssen. Daher auch mein Studium.” Jetzt seiner Leidenschaft nachgehen zu können, sei ein großes Geschenk für ihn.

Stil bedeutet für mich, das Optimum aus einem Menschen rauszuholen. Dafür muss bei vielen aber erst mal das Bewusstsein geschaffen werden.

Seine Ausbildung, die er letztendlich wegen seiner Vorkenntnisse wesentlich verkürzen konnte, hat Norman 2008 im gerade neu eröffneten Salon seiner Mutter begonnen. In Neuenwalde: „Um bei Geschenken zu bleiben – meine Mutter hat mir auf diesem Gebiet gar nichts geschenkt. Absolut nichts. Auch, wenn das vielleicht viele aus meinem Umkreis gedacht haben. Ich habe eher noch mehr gearbeitet. Aber das wollte ich ja auch so.” Damals sei außerdem sein Vater krank geworden, erzählt Norman, weswegen der Schritt, in den Heimathafen zurückzukehren, ebenfalls gut und wichtig gewesen sei.

„Ich bin ein Familienmensch. Und jetzt sind wir mit dem Salon eben von Neuenwalde nach Bremerhaven gezogen.” Er liebe das Flair der Hafenstadt. „Und ich finde, dass der Royal Barber Club da perfekt reinpasst.” Am liebsten hätte er übrigens einen Laden in der Alten Bürger gemietet, erzählt der Szene-Anhänger. Dort sei zum Zeitpunkt der Suche aber leider nichts mehr frei gewesen. „Bremerhaven hat so unglaublich viel Potential. Gerade im Nachtleben. Ich bin immer froh, wenn ich Leute treffe, die das genauso sehen. Und die dieses Potential darüber hinaus, auch noch stärken wollen.”

Ganz im Stile der 20er bis 50er Jahre

„Dein Salon hätte wirklich sehr gut in die alte Bürger gepasst”, bekräftige ich Normans Aussage. Zwischen all die Kneipen und die Tattoo-Läden. In die Szene eben. Wo Tradition auf Moderne trifft.

Bei ihm im Laden stehen viele traditionelle Stücke. Sie sind es, die die Gesamtatmosphäre maßgeblich prägen. Mein Herz schlägt besonders für eine massive Holz-Kommode mit weißer Marmorplatte. „Die Kommode sollte weggeworfen werden”, erzählt Norman, der sich, genauso wie ich, als Antiquitäten-Liebhaber entpuppt. „Weil die Platte einen Riss hat. Mich stört das überhaupt nicht. Die Kommode lebt einfach.” Er sei oft auf Flohmärkten unterwegs gewesen, um solche Stücke zu finden, sagt er. Die marokkanisch anmutenden Fliesen im Arbeitsbereich seien sogar aus einem alten Abbruch-Haus.

Detailverliebt. So lässt sich die Ausstattung des Royal Barber Clubs wohl am besten beschreiben, wenn man nur ein einziges Wort dafür bemühen möchte. „Wie gesagt, man muss diesen Stil leben.” Die „richtigen Barber Shops” würden weltweit aber ähnlich aussehen, erklärt der 32-Jährige. „Das erkennt man sofort, wenn man sich mit dem Thema auskennt.” Englisches Grün an den Wänden, stilechtes Handwerkszeug. Darunter Rasiermesser, Kittel und Schürze – all das dürfte nicht fehlen.

„Der Beruf des Barbiers hat eine extrem lange Tradition”, erklärt Norman. „Bis hin ins Mittelalter. Was du hier siehst, stammt aber mehr aus der späteren Zeit, der Ära der 20er bis 50er Jahre.” Man(n) habe in dieser Zeit viel mehr Wert auf Körper- und Haarpflege gelegt. Eine Rasur sei nichts gewesen, endet er seinen kurzen geschichtlichen Rückblick, was man mal eben zwischendurch oder beim Einkaufen erledigt hätte.

„Für mich bedeutet Stil nicht, andauernd in Hemd und Weste rumzulaufen”, stellt Norman meinen anfänglichen Eindruck noch im selben Atemzug richtig. „Stil bedeutet für mich, das Optimum aus einem Menschen rauszuholen.” Es ginge auch um das Bewusstsein dafür. „Als Barbier ist es meine Aufgabe, dieses wachzurufen.”

Die letzte Bastion der Männlichkeit

„Das klingt jetzt vielleicht blöd”, sagt Norman im Anschluss mit einem Augenzwinkern, „aber durch die Emanzipation haben wir Männer nichts eigenes mehr, nichts mehr für uns.” Es gebe zum Beispiel solche Dinge wie Frauen-Fitness oder Frauen-Abende, aber nichts Vergleichbares für Männer. „Und wenn wir unter uns sein wollen, bleibt gefühlt nur noch die Kneipe. Dann heißt es aber wieder, wir sind Alkoholiker.” Im Royal Barber Club sollen Männer einen Raum für sich haben, einen Raum für Privatsphäre. „Auch Männer wollen betüdelt und umsorgt werden. Das ist so.”

Aus diesem Grund veranstalte er regelmäßige Treffen. Für Gentlemen. Dort werde geraucht, getrunken und diskutiert, „wie an einem Round-Table”.  Ob so ein Club, in den man nur durch eine Online-Bewerbung und ein anschließendes Auswahlverfahren Zugang erhält, nicht „etwas” elitär, wenn nicht sogar snobistisch wäre, frage ich Norman provokant. „Wir sind in der Tat schon dafür kritisiert worden”, lautet seine Antwort. „Bei unseren Treffen geht es aber ganz und gar nicht um sozialen Stand oder Ähnliches.” Die Treffen sollten vielmehr einem geselligen Beisammensein gleichkommen. „Einem geselligen Beisammensein, bei dem wir uns austauschen und alte Rituale pflegen können.” Er kümmere sich an diesen Abenden nämlich auch um die Haarpflege der Mitglieder. Wer letztendlich „zugelassen” werde, sei mehr eine Frage seines Bauchgefühls. „Wir wollen keine Stänker hier, die uns die Laune vermiesen. Die meisten kenne ich auch schon eine Weile, entweder aus dem privaten Freundeskreis oder aus dem Salon.”

 

Provokateur und Charmeur in einem

Einerseits meint er was er sagt, bekomme ich langsam das Gefühl, andererseits kokettiert Norman aber auch mit diesem Image und mit Stereotypen. Bestes Beispiel für dieses Spannungsverhältnis ist seine Dekoration im Laden: Während in der Lese-Ecke ein Playboy für die männlichen Besucher wartet, liegt zwei Meter entfernt ein alter Ehe-Ratgeber auf dem Beistelltisch. „Wenn jemand den liest, war es das mit der Ehe”, lacht Norman.

Männer und Frauen beim Frisör voneinander zu trennen, würden aber auch die weiblichen Kunden her gut finden, so seine Erfahrung; „In diesem Zustand hat mich noch nicht einmal mein Mann gesehen”, hätte mal eine Kundin seiner Mutter zu ihm gesagt, nachdem sie durch Zufall neben ihrem Nachbarn auf dem Frisör-Stuhl Platz nehmen und sich den grauen Ansatz nachfärben lassen musste. „Es geht bei uns wie gesagt um ein wenig Privatsphäre – für männliche, aber auch für weibliche Kunden.” Denn, was viele (noch) nicht wissen: Im Royal Barber Club gibt es eine separate Ladies-Lounge, um die sich Mutter Sonja hauptsächlich kümmert. „Wir sind dabei, Styling-Abende zu organisieren, wenn Motto-Partys in der Region anstehen”, berichtet Sonja.

Zeit, den Genuss wieder zu lernen

Neben Pflege und Styling haben Norman und sein Team ein übergeordnetes Credo im Royal Barber Club, wie er zum Abschluss unseres Gesprächs betont: „Kunden, die zu mir kommen, sollen nicht das Gefühl haben, nur ‚abgearbietet’ zu werden.” So wie es in vielen anderen Salons üblich sei. Insbesondere in Ketten. „Sie sollen sich im Royal Barber Club wie bei Freunden fühlen. Das ist zumindest meine Auffassung von der Ausübung des Frisör-Handwerks.”

Norman arbeite daher auch nur mit Terminvergabe: „Ich möchte mir Zeit für Gespräche nehmen.” Genau das müssten viele Kunden aber erst lernen, beziehungsweise wieder lernen: „Ein bisschen möchte ich meine Kunden  umerziehen. Das kann man schon so sagen. Sie sollen sich die Zeit für Genuss nehmen und dadurch die Hektik des Alltags vergessen.” Er selbst sei als Kind mal in Disney-Land gewesen, wo er ein ähnliches Gefühl gehabt hätte: „Es war dort wie in einer völlig anderen Welt. Losgelöst von der Zeit. Eine andere Lebensqualität.” Viele würden ihm ähnliches über seinen Royal Barber Club erzählen: „Meine Kunden sagen, dass sie bei mir zur Ruhe kommen. Ein schöneres Kompliment können sie mir gar nicht machen.”

Barbier, 

ein Handwerksberuf.

Im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit wurden Personen, die im Bereich der Körperpflege, der Wundheilung und Krankenpflege tätig waren, als Barbiere oder Balbierer bezeichnet.

Wie der Bader, so kümmerte sich auch der Barbier vorwiegend um die Behaarung von Männern. Seine typische Arbeitskleidung war die Lederschürze, da der Barber in den Anfängen auch Zahnextraktionen und Aderlässe vornahm.

Überblick

The Royal Barber Club 
Lloydstraße 6 in Bremerhaven
Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 15 Uhr.
Termine nach Vereinbarung.
Telefon: 0471/80995252
www.trbc-bhv.com

4 Comments

  1. eddchen

    Ich bin zufällig heute 2x auf deinen Blog gestoßen, weil ich a) nach Sushi Grill & Bar suchte und eben nach Norman.
    Du bist Schuld, dass ich (w) morgen dort meine Haare werde scheren lassen (Women’s Lounge), mein Göttergatte erst am 18.11..
    Und am Sonntag gehts dann zum Sushi!
    Alles in Allem kann Bremerhaven erfreut sein über Gewerbezuwächse, die anders und besser sind.
    Und danke für deine rege Auskundschafterei!

    1. Nina

      Haha, so soll das sein!
      Freut uns sehr, dass wir dich inspirieren und motivieren konnten – wehe die Rechnungen gehen auf uns 😉
      Würden uns freuen, wenn du unsere Seite fortan öfters besuchst.

    2. Janina

      Hi eddchen,
      na das freut mich wirklich sehr! Vor allem, dass du Norman und seinem Team einen Besuch abstattest. Ich bin wie gesagt (bzw. geschrieben) auf den Salon aufmerksam geworden, als ich mit dem Bus zur Arbeit gefahren bin. Die Einrichtung und der Flair im Royal Barber Club sind große Klasse. Grüß ihn von mir und lass dich und deine Haare verwöhnen. Greets, Janina

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