China Moses

Foto: Sylvain Norget

Eine Frau zum Verlieben

Es gibt solche und solche Abende. Die guten Abende. Und die, die einem lang werden. Wie ein Abend sich für mich genau anfühlt, hängt dabei irgendwie gerne auch davon ab, womit oder mit wem ich ihn verbringe. Und selbst wenn ich es mehr als nur gut aushalten kann, mal allein zu sein, freue ich mich immer über gute Gesellschaft…

So wie letzten Freitag. Da hatte ich eine faszinierende Frau zu Gast. Eine kluge Frau, der ich unendlich gerne zugehört habe. Ihren vielen kleinen großen Geschichten aus ihrem Leben. Eine Frau, von der ich schon nach den ersten Tönen hingerissen und in die ich nach dem letzten Accord ein bisschen verliebt war.

China Moses

China Moses (Foto: Sylvain Norget)

Denn China Moses hat nicht nur was erlebt, sondern weiß das auch zu erzählen. Und zwar so einzigartig, dass ich nach gut 50 Minuten nicht anders konnte, als ihre neue CD „Nightintales“ einfach noch einmal zu starten. Und ja, ich höre trotz Spotify & Co. immer noch gerne CDs. Jeder Kauf ist für mich nicht nur die Vorfreude darauf, “meine Musik” zu hören, sondern eine symbolhafte Verbeugung vor der Kreativität eines Künstlers. Mein Tribut an seine Genialität, den ich gerne an der Registrierkasse der verschiedensten CD-Shops entrichte.

Es gehört Mut dazu

Gut, ich kannte China Moses schon vor diesem Rendezvous, aber dieser Abend war doch besonders. Nicht zuletzt deshalb, weil es wohl nicht nur für mich doch immer wieder etwas Besonderes ist, Zeuge von Entwicklungen und Veränderungen in Biografien und eben auch Discografien zu sein. Denn es gehört Mut dazu, offen über eigene Verluste, Enttäuschungen, Sehnsucht und Angst zu singen. Ich meine nicht nur irgendwie so, dass es sich reimt, sondern, dass man sich einen Reim darauf machen kann.

China Moses hat, obwohl noch nicht einmal 40, schon richtig gelebt. Sie ist, obwohl Los Angeles geboren, nun in Paris zu Hause, hat sich als Rapperin ausprobiert und war auch schon mal Moderatorin bei MTV France. Bei allem, was sie unternommen hat, musste sie oft auch Niederlagen aushalten und hat dennoch danach meist noch mit Tränen in den Augen, ihr schönstes Lachen versucht. Dieser Optimismus und diese Kraft spürt man in jedem ihrer Lieder. Sie hat aus ihrem Leben Musik gemacht, der man einfach nur zuhören, zu denen man aber auch philosophieren – oder gerne auch tanzen kann.

China Moses

China Moses (Foto: Sylvain Norget)

In ihrer Musik ist das alles drin. Die treibende Kraft des Blues, das Oszillieren des Souls, die Hingabe des Gospels und die Verspieltheit des Jazz. Sie ist dabei zum Glück keine artifizielle, verkopfte Jazzerin, sondern eine, bei der man hört, dass sie Spaß am Probieren, an Grenzgängen und Brüchen und ebenso an gefälligen Melodien hat. So singt sie in „Hangover“ vom Rausch der Liebe, in „Nicotine“ von krankhafter Abhängigkeit, in „Watch Out“ von der Sehnsucht nach Nähe, in „Put It On The Line“ vom brennender Leidenschaft und in „Running“ vom Mut, nicht aufzugeben und beweist mit „Lobby Call“ und „Whatever“ auch den Mut, von ihrer Verletzlichkeit und von echter Trauer zu berichten.

Persönliche Unabhängigkeitserklärung

Schön, dass sie sich das so traut – uns daran teilhaben lässt – und mit ihrem neuen Album nun bei sich selbst angekommen zu sein scheint. Während sie früher vielleicht aus Rücksicht oder aus Angst vor den ständigen Vergleichen mit den großen Namen in ihrer Familie – ihre Mutter ist die mehrfache Grammy-Gewinnerin Dee Dee Bridgewater und ihre Großvater einer der sagenhaften Trompeter aus der Band der Jazz-Legende Dinah Washington – noch quasi schamhafte Ausflüge in andere Musikstile unternahm, präsentiert sie mit „Nightintales” ihre persönliche Unabhängigkeitserklärung als Jazz-Musikerin.

Nach eher Soul- und Gospel-orientierten Alben in 2009 und 2012 ist China Moses mit ihrer faszinierenden Altstimme nun im März 2017 ganz im Jazz angekommen. In nur 5 Tagen hat sie gemeinsam mit ihrer Band und dem Produzenten Anthony Marshall (der Mann hinter Nelly Furtado und Craig David) 11 ausschließlich eigene Lieder aufgenommen. Lieder, die mich verführt haben, etwas zu tun, was sonst so überhaupt nicht meine Art ist – nämlich eine Frau gleich am ersten Abend mit in mein Bett zu nehmen, um am nächsten Morgen gleich wieder mit ihr aufzuwachen.

On tour

Donnerstag, 14. September 2017, “Kultur im Zeit” in Braunschweig

Weitere Termine gibt es hier.

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