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Ein Leben (fast) ohne Plastik

Jedes Jahr landen weltweit 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer. Ganz klar: Kunststoffverpackungen sind schlecht für die Umwelt. Beim Einkaufen dem Verpackungswahn aus dem Weg zu gehen, ist aber gar nicht so einfach. Inga Lüdke aus Nordenham versucht das seit ein paar Monaten.

Ein Becher Kaffee und ein Rosinenbrötchen. Damit fing alles an. Beides holte sich Inga täglich beim Bäcker, bevor sie zur Arbeit ging. So ging es über ein Jahr lang. Dann geriet sie ins Stocken. „Das sind im Jahr locker 300 Becher plus 300 Tüten Müll, die ich allein dadurch produziere“, wurde der Nordenhamerin bewusst. Und sie beschloss: So geht es nicht weiter.

Beim nächsten Mal ging Inga mit einem Mehrweg-Kaffeebecher zum Bäcker. Den wollte man ihr jedoch nicht auffüllen. „Das geht aus hygienischen Gründen nicht, hieß es“, erinnert sie sich. Inga informierte sich und fand heraus, dass es Ermessenssache des Betreibers ist. „Also ging ich am nächsten Tag noch mal hin und hakte nach. Und dann ging es plötzlich doch.“

Jeder einzelne trägt die Verantwortung

Aber es geht nicht nur um Kaffeebecher. „In Supermärkten ist es, abgesehen von Obst und Gemüse, fast unmöglich, unverpackte Lebensmittel zu kaufen“, sagt Inga. Doch es macht sie ärgerlich, wenn Menschen den Supermärkten die Schuld an dem immensen Plastikaufkommen geben. „Dann zieht man sich selbst aus der Verantwortung. Jeder Einzelne hat damit zu tun und kann sein Konsum- und Einkaufsverhalten ändern“, ist Inga überzeugt.

Sie selbst kauft deshalb fast nur noch auf dem Wochenmarkt ein. Und sie verzichtet auf viele Dinge. „Chips kommen mir zum Beispiel nicht mehr ins Haus. Dafür gönne ich mir aber auch mal leckeren Ziegenkäse mit Trüffel“, erzählt sie. „Seitdem ich so sehr darauf achte, was ich kaufe, genieße ich alles viel mehr als vorher. Und es macht mir einen riesigen Spaß, mir Alternativen zu überlegen.“

Seitdem ich so sehr darauf achte, was ich kaufe, genieße ich alles viel mehr als vorher. Und es macht mir einen riesigen Spaß, mir Alternativen zu überlegen.

Joghurt und Säfte kauft die Buchhändlerin im Glas, Milch am liebsten an der Milchtankstelle in Nordenham. „Dort lernt man immer nette Menschen kennen“, erzählt sie. „Es gibt viele, die sich für das Thema interessieren. Vielleicht kann man ja mal eine gemeinsame Aktion starten“, überlegt Inga.

Metalldosen, Glasflaschen und Einmachgläser anstatt Einweg-Plastikverpackungen: Inga Lüdke versucht, beim Einkaufen einen Bogen um Verpackungen zu machen. Da das nicht immer möglich ist, macht sie vieles selbst, wie zum Beispiel Shampoo aus Roggenmehl und Wasser. (Foto: Laura)

Denn spätestens an der Fleischtheke ist das Einkaufen ohne Verpackung nicht mehr möglich. Aus hygienischen Gründen dürfen die Verkäufer die Ware nicht in mitgebrachte Tupperdosen von Kunden füllen.

Gunnar Lehrke ist Inhaber des Edeka-Centers in Nordenham. „Wir haben über das Thema schon mit unserer Veterinärin gesprochen“, berichtet er. In manchen Märkten gebe es eine Art Schleusensystem, über das eigene Behälter der Kunden befüllt werden können. Vorläufig wird es in Nordenham solch eine Möglichkeit nicht geben. „Die Veterinäre sehen es von Landkreis zu Landkreis sehr unterschiedlich“, sagt Gunnar Lehrke. „Da scheint mir die gesetzliche Lage noch etwas schwammig zu sein.“

Zudem sei die Nachfrage seitens der Kunden gering. Es komme nur ganz selten vor, dass jemand seinen eigenen Behälter mitbringt, sagt Gunnar Lehrke. Trotzdem würde er es begrüßen, wenn dies in Zukunft möglich ist: „So könnten wir einerseits die Natur schützen und andererseits Verpackungen und damit verbundene Kosten einsparen.“

Ärger an der Fleischtheke

Ein Erlebnis an einer Fleischtheke hat Inga besonders geärgert. Um den Plastikverbrauch so gering wie möglich zu halten, bat sie darum, ihre Mortadella zusammen mit der Mettwurst zu verpacken. Dieser Wunsch wurde ihr verweigert. Das sei nicht möglich, hieß es. „Das ist doch meine Entscheidung. Bei so etwas fühle ich mich entmündigt“, sagt Inga – und kauft dann lieber woanders ein. „Als würde die Welt untergehen, wenn meine Salami die Mortadella berührt. Dabei geht die Welt davon unter, dass man überall eine Plastikfolie zwischenlegt.“

In Großstädten gibt es bereits „Unverpackt“-Läden. Dort können Kunden sämtliche Ware – von Nudeln über Müsli bis zur Zahnpasta – selbst abfüllen. Die ehemalige Nordenhamerin Sonja Schellbach hat zusammen mit drei anderen Gründern solch einen Laden in Hamburg eröffnet. „Schade, dass es in der Gegend noch keinen gibt“, findet Inga.

„Als würde die Welt untergehen, wenn meine Salami die Mortadella berührt. Dabei geht die Welt davon unter, dass man überall eine Plastikfolie zwischenlegt.“

Plastikmüll entsteht nicht nur bei Lebensmitteln und Co. Auch im Badezimmer fallen etliche Verpackungen an: vom Shampoo über Deo bis hin zu Wattestäbchen. Shampoo kauft Inga seit ein paar Monaten nicht mehr. „Man kann die Haare auch mit Roggenmehl waschen“, erzählt sie. „Das hat sogar meine Haare schöner gemacht.“ Deo lässt sich zum Beispiel aus Kokosöl und Natron selbst herstellen.

Ein gelber Sack für zwei Monate

Doch auch bei Inga bleibt der gelbe Sack nicht leer. „Komplett auf Kunststoff-Verpackungen zu verzichten, klappt nicht“, erklärt sie. Linsen oder Hackfleisch gebe es zum Beispiel nicht unverpackt zu kaufen. „Dann gibt es noch diesen enttäuschenden Moment, wenn man eine Tafel Schokolade öffnet, von der man glaubte, sie sei nur in Papier eingepackt“, bedauert Inga. „Und dann kommt die Plastik- oder Alufolie zum Vorschein.“ Immerhin kommt die Nordenhamerin mit einem gelben Sack rund zwei Monate aus. In Zukunft will sie sich noch weiter steigern.

So kann man Shampoo aus Roggenmehl selbst machen. (Diese Menge reicht für langes Haar.)

 

  1. 180 ml kaltes Wasser in ein Einwegglas füllen.
  2. Esslöffel Roggenmehl hinzufügen und schütteln, bis keine Klumpen mehr vorhanden sind.
  3. Etwa 10 Minuten ruhen lassen und dann wie ein normales Shampoo benutzen, kurz einwirken lassen und kräftig ausspülen.
  4. Für eine Haarkur lässt man das Gemisch einfach etwas länger stehen. Dann werden mehr Vitamine freigesetzt, es befreit die Haare dann aber nicht mehr so gut von Fett.