Foto: Nils Stelte

Badger: Bremerhavener Musiker macht Karriere in Berlin

Kreuzberg. Wir treffen uns am wohl nordischten Ort Berlins, der Ankerklause am Landwehrkanal. Es ist 15 Uhr. Max ist im Stress. Vor einer Stunde hat er eine Anfrage reinbekommen, heute Abend „Hundreds” zu supporten. In Magdeburg. Ganz spontan. Max Freude ist ihm ins Gesicht geschrieben. Denn Schritt für schritt macht er sich mit seiner Band Badger einen Namen in der Elektropop-Szene. Ein Gespräch.

Wie sich das gerade für ihn anfühlt, will ich wissen. „Für mich ist das spektakulär – die sind schon eine größere Indie-Nummer”, sagt Max. Er entschuldigt sich und greift noch einmal zum Hörer. Er selbst ist zwar Badger (Frontmann, Songwriter, Impulsgeber) – doch ohne seinen Gitarristen ist in Magdeburg heute Abend nichts los. Hier sind gerade schnelle Organisation und spontane Bandkollegen gefragt.

Max Wiegand hat die Musik im Blut. Sein Vater ist Hobbymusiker, seine Mutter die Sängerin Carla Mantel. Schon früh hat der gebürtige Bremerhavener eine Band mit seinem Bruder und zwei Freunden gegründet und sich mit „Pilefunk” jahrelang einen Namen in seiner Heimat ersungen. Doch irgendwann war dort alles abgegrast. Es zog ihn nach Berlin. Fürs Studium – und für die Musikkarriere.

Acht Jahre lebt Max, der in Wulsdorf aufgewachsen ist, nun schon in der Hauptstadt. In Neukölln um genau zu sein. Hat Musik und Literatur studiert. Seine Brötchen verdient er als Redakteur. Denn er mag das Schreiben. Über Menschen für das Printmagazin. Aber noch vielmehr über seine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse in seinen Songs. Was den 31-Jährigen für immer mit Bremerhaven verbindet und was sein Karriertraum ist, hat er mir bei einem Kaffee – im wahrsten Sinne des Wortes – zwischen Tür und Angel erzählt.

Max über Berlin

Wir sind damals alle zusammen als Band nach Berlin gegangen. Wir haben gar nicht gedacht: „Wir wollten schon immer nach Berlin, weil’s so geil ist.” Sondern es war einfach so, dass wir hier alle was gefunden haben, was wir machen wollten – studieren, eine Ausbildung machen, und so weiter. Aber klar, für Mukke machen ist es natürlich am besten. Aber auch schwierig, weil die Konkurrenz so groß ist.

In Bremerhaven war das anders. Ich war 16. Und relativ schnell wurde in der Zeitung über uns berichtet. Wenn du ein bisschen Qualität hast, stichst du dort relativ schnell raus. Und es gibt auch nicht so viele Möglichkeiten, das muss man ehrlich sagen. Wir haben damals unter anderem im Lehe-Treff gespielt. Das war’s dann auch schon fast und man muss es nach Bremen oder ins Umland schaffen. Das Rock-Center oder so gab es früher nicht. Das wäre zum Beispiel ein cooler Ort für uns gewesen.

Max’ Beziehung zur Musik

Ich bin damit aufgewachsen. Ich habe an der Scholl Abi gemacht. Hatte früh Klavierunterricht, aber habe vor allem irgendwann – mit 14 oder so – die Gitarre für mich entdeckt. Ich habe diese ganzen Grunge-Sachen gefressen. Weil das einfach easy zu spielen war.

Meine Stücke waren dementsprechend immer sehr gitarrenlastig. Aber vor drei Jahren war irgendwie die Luft raus, auf Gitarre hatte ich keine Lust mehr. Ich hatte das Gefühl, alles, was man mit Gitarre machen kann, irgendwie gemacht zu haben. Der elektronische Einfluss ist eh überall immer stärker geworden – und hier in Berlin bist du natürlich direkt an der Quelle. Triffst viele Bands, die sowas machen, was ich mir eben auch vorgestellt habe. Elektronische Musik, aber Songs schreiben. Das ist kein Techno-Acting in dem Sinne. Kein Dj-Ding. Ich komme aus dem Songwriting – und habe das dann übertragen.

Max über’s Songwriting

Ich habe mit 16 angefangen. Am Anfang machst du irgendeinen Scheiß. Wenn man dran bleibt, wird es aber immer besser. Und das Songwriting ändert sich ja nicht, nur weil du auf einmal andere Mittel dafür benutzt.

Ich schreibe hauptsächlich über Persönliches und Emotionales, Beziehungssachen zum Beispiel. Teilweise auch über gesellschaftliche Themen. Und die Stadt spielt bestimmt auch eine Rolle. Ich thematisiere Berlin nicht direkt, aber es ist natürlich zwischen den Zeilen vorhanden. Auch das Nachtleben hier. Die Nächte, die einen geprägt haben.

Max über die Achtziger

Eigentlich habe ich das Musikjahrzehnt gehasst früher. Ehrlich gesagt war ich immer so’n Nineties-Gitarren-Mukke-Kid. Mittlerweile spricht mich die Achtziger-Ästhetik aber total an. Natürlich musst du es modern umsetzen. Gerade mit Synthesizern haben die damals schon geile Sachen gemacht. Das muss man einfach sagen. Das fließt bei mir auf jeden Fall ein.

Max Wiegand. (Foto: Thrillionaire)

Mit 23 bist du nach Berlin. Wo hast du dich bis dahin rumgetrieben?

Ich bin zwischendurch noch in Bremen gewesen. Habe dort angefangen Germanistik zu studieren. Auch währenddessen waren wir mit der Band ziemlich aktiv.

Und die letzte Zeit warst du auf Tour…

Ja, wir hatten Gigs in Berlin, Leipzig, Ulm und Augsburg. 2017 sind wir zum ersten Mal etwas rumgekommen. Bremen und Hamburg waren wir auch im Frühjahr. Wir haben sogar einen Gig in Bremerhaven für April 2018 organisiert (nähere Infos am Ende des Artikels). Ich bin im Pferdestall ja quasi aufgewachsen. Und auch als wir nicht mehr oft in Bremerhaven waren, sind wir immer an Weihnachten dorthin zurückgekehrt und haben Konzerte gespielt. So ein Zusammenkommen.

Max bei einem Badger-Auftritt. (Foto: 2teNaturManufaktur)

Hast du noch viele Freunde in Bremerhaven?

Ne, die sind alle weg. Aus meinem Jahrgang ist – soweit ich weiß – keiner geblieben. Woran das liegt? Perspektiven. Viele wollten studieren und die Hochschule in Bremerhaven ist sehr speziell. Und gerade von der Scholl wollten viele in Richtung Geisteswissenschaften gehen.

Heute ist Bremerhaven um einiges cooler. Viele Dinge gab es damals noch nicht. Die Entwicklung der Stadt ist echt krass.

Ich bin kein Platten-Fanatiker. Aber es ist geil, was in der Hand zu haben.

Ist die Stadt wieder eine Option für dich?

Bremen fand ich damals zum Wohnen auch sehr cool. Da ist es irgendwie echt schön. Aber ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass ich unbedingt wieder in den Norden will. Meine Freundin ist zum Beispiel aus dem Süden, lebt aber auch hier. Momentan muss es einfach Berlin sein. Die ganzen Verbindungen zu den Musikern, die Szene. Die Wege sind viel kürzer.

Wie geht es weiter?

Ich habe jetzt eine Platte fertig (hier geht’s zur EP), die ist schon mal von meinem Tisch. Aber du musst gleich wieder nachlegen. Deshalb schreibe ich gerade am ersten Album. Ich habe einen befreundeten Produzenten, mit dem ich den Feinschliff dafür mache, aber der Anfang entsteht alleine zu Hause. In gewisser Weise ist das 24/7 bei mir. Das Musizieren im Kopf hört ja nicht auf. Deswegen ist es ganz gut noch meinen anderen Job zu haben. Dann ist mal ein bisschen Ruhe. Du hast ein bisschen Struktur, das finde ich grundsätzlich nicht schlecht.

Demnächst gibt es meine Platte übrigens auch auf Vinyl. Ich bin gar nicht mal so der Platten-Fanatiker, aber ich finde es geil, was eigenes zu haben. Das ist schon was besonderes, was anderes.

Auch Schreien muss gelernt sein.

Max über seine musikalischen Wurzeln

Meine Mutter ist eigentlich Schulleiterin, in der Region aber auch als Musikerin relativ bekannt. Ihre Musik geht eher in die Chanson-Richtung. Chanson mit deutschen Texten und wechselnden Musikern. Früher hat sie nur mit Klavier und Cello Musik gemacht, jetzt sogar manchmal mit einer Band. Was cool ist: Sie versteht meine Leidenschaft total. Das ist in der Hinsicht sehr ermunternd. Sie kennt das halt.

Mein Vater ist auch hobbymäßig in der Musik unterwegs. Er spielt Saxophon, hat viel in Chören gesungen, sowas. Für ihn war es aber immer wichtig, dass es ein Hobby bleibt.

Und ich selbst? Ab und zu nehme ich Gesangsunterricht. Klar braucht man ein gewisses Talent. Aber wenn ich mir anhöre, wie ich früher klang…Du lernst auch, nicht heiser zu werden oder nicht nur mit Kraft zu singen – das ist super wichtig. Das hat mir schon einiges gebracht. Aber ich habe es nicht jahrelang gemacht. Sondern immer mal zwischendurch bei verschiedenen Leuten. Es hilft, würde es jedem raten. Egal ob Elektro, Punk oder Rock. Auch Schreien muss gelernt sein.

Was ist dein Traum?

Wenn man wirklich langfristig denkt: Dass meine Musik so viel Aufmerksamkeit bekommt und sie sich von selbst finanziert. Es geht mir nicht darum, dass ich fulltime davon leben kann, aber man muss das „Musikmachen“ einfach am Leben halten können. Das wäre schon mal ein Anfang. Ich würde außerdem gerne so viel wie möglich live spielen, damit es mehr Leute erreicht. Und klar, der nächste Schritt ist es jetzt ein richtiges Album zu machen.

Gibt es Festivals, auf denen du spielen willst?

Melt! oder so. Da würde meine Musik gut hinpassen. Ich glaube schon, dass das möglich wäre. Du musst nicht richtig groß sein, um dahin zu kommen. Auf dem Fusion Festival habe ich zum Beispiel schon einmal gespielt.

Ich will nicht immer durchpowern, sondern dynamisch sein.

Ich liebe es auf der Bühne zu stehen. Im Idealfall bist du so tief drin in der Mukke, dass dein Auftritt total natürlich ist. Dass es dann auch keinen besseren Ort gibt, an dem du in dem Moment sein willst. Und das mit der eigenen Mukke hinzukriegen… ist halt geil.

Aber das funktioniert nicht immer. Es gibt auch schlechte Tage. Wo du merkst: „Okay, ich komme nicht komplett rein wie ich es gerne hätte.“ Aber meistens, ab einem gewissen Punkt, schafft man es schon.

Welchen Song ich am liebsten performe, kann ich nicht sagen. Es ist ganz unterschiedlich. Es hängt auch immer vom Raum ab. Manchmal hast du eine große Location, wo die Anlage richtig fett ist – dann funktionieren die powervollen Songs gut. Wir hatten auch schon Räume, wo das Publikum saß, wo es ganz intim war und dann merkst du: „Shit, die hören jeden Ton, den ich singe.“ Das ist auch geil. Ich finde cool, beide Sachen im Set zu haben. Ich will nicht immer durchpowern, sondern dynamisch sein.

In Ulm haben wir unlängst in einem Jazz-Keller gespielt. Komplett bestuhlt. In dem Laden saßen auch ein paar ältere Leute. Die haben uns aber total gefeiert, sind irgendwann aufgestanden und haben getanzt. Momentan ist unser Publikum sehr unterschiedlich. Ich mag das.

Ich bin ein Band-Mensch.

Max über Freundschaft

Meine Bandkollegen kenne ich fast alle schon ziemlich lange – das sind alles Freunde von mir. Das muss auch so sein, das ist mir wichtig. Badger ist zwar mein Projekt und für mich von besonderer Bedeutung, aber die anderen tragen es natürlich mit.

Badger bin im Prinzip nur ich, aber meine Band ist ein fester Kern. Ich möchte das ungern stets wechselnd haben. Du brauchst eine Energie auf der Bühne, das merken die Leute auch. Ich bin ein Band-Mensch. Ich komme aus Bands. Meine erste Band war wie eine Familie für mich. Meine besten Kumpels. 12 Jahre gab es uns insgesamt – in wechselnden Besetzungen.

Warum heißt du Badger?

Badger ist Englisch und heißt Dachs. Ich finde, das ist einfach ein cooles Tier. Ich mag die Ästhetik. „You Move“ ist unsere erste Single, gerade haben wir noch eine zweite („Mirrors“) rausgebracht.

„You Move“ ist über eine konkrete Berliner Nacht. Wo du eine gewisse Faszination für eine Person entwickelst und versuchst, ihr nahe zu kommen. Anonymität spielt darin eine große Rolle, denn du kriegst diese Person nicht so richtig zu fassen.

„Mirrors“ ist über eine Beziehung, die zu Ende geht. Ich hatte das Gefühl, dass ich beim Blick in den Spiegel, die andere Person nicht mehr in mir wiederfinde. Das war das Bild, was ich dabei hatte.

Max über Bremerhaven

Bremerhaven hat meine Musik insofern geprägt, dass die Songs eine gewisse Weite hat, räumlich weit klingt. Ich vermute, das kommt daher, dass du in Bremerhaven diesen krassen Himmel hast. Das finde ich in Berlin nur an einem Ort – dem Tempelhofer Feld. Als ich das erste Mal dort war, kam so eine Erhöhung und ich dachte: „Okay, jetzt kommt der Deich“ – und das mitten in der Stadt! Das hatte ein bisschen was von den Ecken um Dorum herum. Ich war immer viel am Deich. Damals war in Bremerhaven auch nicht viel bebaut – das war alles nur Parkplatz. Zudem war ich viel in der Alten Bürger unterwegs. Mittlerweile sind „meine“ Kneipen aber alle dreimal umgezogen. Im „Café de Fiets“ waren wir zum Beispiel oft. Oder im „Yesterday“.

Heimspiel: Am 29. April gastiert Badger im Pferdestall Bremerhaven. Nichts wie hin, Tickets gibt es hier.

In a nutshell:

Musikalische Anfänge: „Pilefunk“ und „This Could Be Yours“
Contemporary-Pop und Indie-Stimme treffen auf State-of-the-art Elektronika.
Vorbilder: Radiohead, Massive Attack und neuen Helden wie James Blake and Sohn.

Pressestimmen:

 „Berlin ist bereit für Badger – wohl einem unserer Newcomer des Jahres.“ (Zitty Berlin)

 „Songs mit wunderbar fragilen, mitunter irrlichternden Harmonien, Refrains mit hohem Wiedererkennungswert und tief ausgeloteten Klangräumen aus fett gemischter Breitwand-Elektronika. (Nordsee-Zeitung)

Schreibe einen Kommentar