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Wenn die große Liebe eine andere heiratet

Es ist über drei Jahre her, dass wir uns kennengelernt haben. Und ich würde ihn mitnichten zurücknehmen. Trotzdem ist es hart. Dass er heiratet, dass eine andere Frau seinen Namen trägt. Denn genau das habe ich mir für mich damals immer gewünscht.

Wir hatten mehr Tiefen als Höhen. Doch er hat es geschafft, mich emotional abhängig von ihm zu machen. Es war wie bei einer Droge, kurzzeitig schön, aber meistens die Hölle. Und ich habe alles getan, um diese Droge (also ihn) zu bekommen.

Es fing harmlos in einer Diskothek an. Auch meine Freundin war zunächst begeistert von ihm. Er war zurückhaltend und erzählte mir, wie glücklich er sei, mich kennengelernt zu haben. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Kürzlich habe ich ein Tagebuch wiedergefunden, das ich zu der Zeit geschrieben habe. Ich schrieb, dass ich meinen Traummann gefunden habe.

Aus heutiger Sicht gab es früh Warnzeichen, dass das Ganze nicht funktionieren würde. Aber die habe ich gekonnt ignoriert: Vorwürfe, wenn ich darauf gewartet habe, dass er sich mal meldet. Böse Nachrichten, wenn ich mal 15 Minuten lang nicht geantwortet habe, weil ich mit Kofferpacken beschäftigt war, um ihn zu besuchen. Weiter ging es mit heftigen Stimmungsschwankungen. Morgens wollte er mich nie wiedersehen und abends lag ich wieder in seinen Armen.

Es war nie genug

Egal was ich gemacht habe, es war nie genug. Und das hat er mir später noch oft vorgehalten: Was ich denn für ihn getan hätte, außer eine Münze prägen zu lassen, die ich ihm als Glücksbringer schenkte. Und für ihn stundenlang und komplett umsonst nach Augsburg zu fahren. In einem Hotel zu sitzen, in der Hoffnung, er würde doch noch kommen. Das ist für viele unverständlich und es ist schwierig zu erklären, warum ich so viel für jemanden getan habe, der mir nichts zurückgegeben hat.

Ein Beispiel: Es war abends im Winter und wir waren wieder mal spontan verabredet. Zu der Zeit lebte er noch in Bremerhaven. Noch während ich auf dem Weg zu ihm war, hat er seine Meinung geändert und wollte mich nicht mehr sehen. Allerdings hatte ich schon geparkt und begann, mit ihm zu diskutieren. Vom Parkplatz aus konnte ich sehen, dass kein Licht in seiner Wohnung brannte.

es ist schwierig zu erklären, warum ich so viel für jemanden getan habe, der mir nichts zurückgegeben hat.

Ein paar Minuten nachdem ich angekommen war, fragte er, wie lange ich schon da sei. Ich antwortete, dass ich gerade gekommen sei. Zumindest nach meiner Interpretation kann man auch nach 3 Minuten noch sagen, dass man gerade gekommen ist.

Er wollte unbedingt, dass ich die Scheinwerfer meines Autos einschalte. Obwohl ich nicht verstanden habe warum, tat ich es. Denn mich wunderte bei ihm schon lange nichts mehr. Und dann flippte er wieder einmal aus und meinte, ich stünde da schon länger, warum ich denn lügen würde.

Erst später wurde mir klar, dass er mich die ganze Zeit vom Fenster aus beobachtet hatte – deshalb brannte auch kein Licht in seiner Wohnung. Als der Freund meiner besten Freundin mir das einmal demonstrierte, fiel mir erst auf, wie unheimlich es eigentlich ist, so beobachtet zu werden.

Ich war einfach dankbar. Dankbar für jede Minute mit ihm.

Als ich an dem Abend schließlich an seiner Tür klingelte, hat er mich zunächst nicht rein gelassen und ich ging auf Grund der Kälte zurück ins Auto. Das führte wieder zu Streitigkeiten à la ich wolle ihn nicht sehen. Als ich schließlich doch irgendwann bei ihm oben war, tat er so, als wäre nie etwas vorgefallen. Das verwunderte mich sehr, doch ich traute mich nicht, es anzusprechen. Ich war einfach dankbar. Dankbar für jede Minute mit ihm.

Später zog er nach Augsburg. Und ich fuhr mehrmals hin. Einige Male umsonst, einige Male nicht.

Pläne, von denen ich nichts wusste

Einmal hatten wir uns überlegt, uns in Bayern zu treffen. Doch je näher der Tag rückte, desto unsicherer wurde er. Daraufhin fuhr ich nicht. Am gleichen Tag fragte ich ihn morgens noch drei Mal, ob er sich sicher ist, dass ich nicht kommen solle. Am Nachmittag schrieb ich ihm, wie gerne ich bei ihm wäre. Erst darauf hat er sich überhaupt erbarmt zu reagieren und war unfassbar sauer, dass ich nicht gekommen war. Wir hatten schließlich Pläne. Pläne, die nur in seinem Kopf stattfanden und von denen ich nichts wusste.

Im Nachhinein wundert es mich, dass ich nicht gefahren bin, doch das tat ich dann einen Tag später. Ich wollte ihm beweisen, wie sehr ich ihn sehen wollte. Und dass es mir ernst war. Doch ich bin die ganze Strecke umsonst hin und wieder zurück gefahren. An einem Tag. Ich hätte ihm niemals zugetraut, so eiskalt zu sein. Doch er war es. Er habe mich den Tag zuvor treffen wollen und nicht heute. Ich solle wieder gehen. Über zwei Stunden lang versuchte ich, seine Meinung zu ändern. Dann fuhr ich todtraurig wieder nach Hause. Und fuhr zwei Wochen später doch wieder zu ihm. Für das letzte physische Treffen, das so perfekt war, wie ich es mir immer erträumt hatte.

Ich hätte ihm niemals zugetraut, so eiskalt zu sein. Doch er war es.

Doch auch dieses Treffen begann merkwürdig. Er war zunächst Bier trinken und es fühlte sich so an, als müsste er sich Mut antrinken um mich zu treffen. Um seinem Charakter und dem Drama treu zu bleiben, hatte er eine Bedingung, bevor wir uns treffen konnten: Ein iPhone-Ladekabel. Und jeder, der mich kennt, weiß, dass ich Team Android bin. Also hieß die Aufgabe an diesem Sonntagabend, ein Ladekabel aufzutreiben.

Ich ging zur Rezeption des Hotels und fragte hektisch nach dem blöden Ding, doch die Dame dort meinte, sie hätten keins mehr. Da ich anscheinend wirklich verzweifelt war, kam ein Mann von der Bar herüber und fragte was los sei. Und tatsächlich konnte er mir besagtes Ladekabel aus den Fundsachen besorgen.

Eine ganze Nacht zusammen

So holte ich ihn aus der Stadt ab und es war sofort, als hätte es die ganzen Streitigkeiten nie gegeben, als wären wir schon immer zusammen gewesen. Er hielt meine Hand beim Autofahren und legte seinen Arm um mich, als wir die Straße entlang spazierten. Wir verbrachten das erste und einzige Mal in unserer Zeit eine ganze Nacht zusammen und selbst wenn er sich umdrehte, hat er seine Hand nach mir ausgestreckt.

Ich habe vor Glück nicht eine Minute geschlafen. Ich wollte den Moment in mich aufsaugen und keine Sekunde verschlafen, denn ich hätte nicht glücklicher sein können. Am Morgen kam dann der Abschied. Und es war tatsächlich der Abschied für immer. Wir hatten noch Kontakt, obwohl er später eine Freundin hatte. Aber getroffen haben wir uns nie wieder.

Ich habe vor Glück nicht eine Minute geschlafen. Ich wollte den Moment in mich aufsaugen.

Er hat mir noch oft gesagt, ich hätte mich mehr anstrengen sollen. Und dass ich niemals jemanden finden werde wie ihn. Auch wenn das nur zwei dahergesagte Sätze sind, haben sie mich mehr als eine Träne gekostet und mehr als eine Nacht wach gehalten. Ich habe mir immer die Frage gestellt ob er Recht hat. Ob ich nicht genug gegeben habe. Aber es stimmt nicht. Ich habe mehr gegeben als ich konnte und mehr als gut für mich war. Egal was gewesen wäre, es hätte nicht gereicht. Das musste ich mir schmerzlich eingestehen.

Der Schmerz sitzt tief

Jetzt zu wissen, dass er heiratet, nicht einmal ein Jahr nachdem der Kontakt abbrach, tut sehr weh. Nicht, weil ich ihn zurück möchte, denn ich habe meinen Wert erkannt und weiß, dass ich etwas Besseres verdient habe. Ich kann es nicht einmal wirklich erklären, aber das muss ich wohl auch nicht.

Denn niemand, dessen große Liebe nicht auch jemand anderen heiratet, wird verstehen können, wie ich mich fühle.