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Unter der Haut: Hollywood, warum hast du so lange geschwiegen?

Oft feministisch, noch öfter intim: In ihrer Kolumne schreibt Janina über alle Themen, die ihr unter die Haut gehen. Heute geht es um Sexismus in Hollywood.

Wen wundert’s? Dachte ich, als ich zum ersten Mal ein Foto von Harvey Weinstein (65, „Django Unchained”, „The King’s Speech”, „Good Will Hunting”) in einem Artikel gesehen habe: Rein optisch ist Weinstein das perfekte Klischee eines schmierigen Erfolgsproduzenten, der hinter den Kulissen hübsche Schauspielerinnen begrapscht und sich denkt, er könne durch Macht und Geld alles haben, beziehungsweise jede. Am besten noch auf der berühmt berüchtigten Besetzungscouch.

(Klingt nach Bild Zeitungs-Hetze, wäre aber auch schon vorher meine Einschätzung gewesen. Ohne sein Bild und seinen Namen einer aktuellen Debatte zuordnen zu können.).

Eckdaten und weltweite Reaktionen

Mehr als 60 Frauen sind es derzeit, die Weinstein öffentlich wegen sexueller Belästigung anklagen, teilweise auch wegen Vergewaltigung. Superstars, genauso wie Assistentinnen. Er selbst streitet jede Form von nicht einvernehmlichen Sex ab. Hat sich in Therapie begeben.

In Hollywood lösten die Enthüllungen Bestürzung aus und hauchten der Sexismus-Debatte dadurch wieder neues Leben ein. Meryl Streep beispielsweise ließ in der „Huffington Post“ verlauten: „Die furchtlosen Frauen, die ihre Stimmen erhoben haben, um diesen Missbrauch zu enthüllen, sind unsere Heldinnen.“ Sie und andere, die mit Weinstein zusammengearbeitet hätten, seien „entsetzt” über die Enthüllungen. Im Zuge dieser und vieler anderer Äußerungen, etwa von Lena Headey („Game of Thrones”) und Jennifer Lawrence („Die Tribute von Panem“), fingen Frauen weltweit damit an, ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen über soziale Netzwerke zu teilen. Unter dem Hashtag MeToo.

Prominentes Fallbeispiel: Rose McGowan

Rose McGowan (44), bekannt geworden durch die Fernsehserie Charmed (1998-2006), ist eine der wichtigsten Stimmen in der Debatte. Sie war es, die die Welle mit ihren Vergewaltigungsvorwürfen gegen Weinstein ausgelöst hatte. „Ich wurde seit 20 Jahren zum Schweigen gebracht”, sagte sie nun während einer Rede bei der Women’s Convention in Detroit. „Ich wurde als Schlampe beschimpft. Ich wurde belästigt.” Doch mit solchen Erfahrungen müsse jetzt Schluss sein. Frauen sollen nicht mehr beiseite geschoben und nicht mehr verletzt werden. „Wir sind frei. Wir sind stark. Wir sind eine riesengroße kollektive Masse. Es ist Zeit, angesichts unsäglicher Handlungen, tapfer zu sein.“

Hinzukommt, dass McGowan anderen Hollywood-Größen vorwirft, von Weinsteins Taten gewusst, sie aber bewusst verschwiegen zu haben. Ben Affleck zum Beispiel. Wegen eines direkten Angriffs auf selbigen wurde sogar ihr Twitter-Account von den Betreibern gelöscht.

#ROSEARMY IS HERE #WHYWOMENDONTREPORT

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These: Ich dachte, die milch sei abgelaufen

Im Vorfeld dachte ich eigentlich, dass Männer wie Harvey Weinstein eine Art Auslaufmodell sind. Ein Auslaufmodell, das zwar noch hier und da existiert, aber im Allgemeinen darauf wartet, weggeworfen zu werden. So wie abgelaufene Milch, die man mal wieder im Kühlschrank vergessen hat. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass solche abgelaufenen Milchtüten in Hollywood aufbewahrt, konserviert und sogar als Delikatesse verkauft werden.

So wie in den 50er und 60er Jahren, als Alfred Hitchcock dort noch sein Unwesen getrieben hat. Filmisch im positiven, menschlich im negativen Sinne: Tippi Hedren, Hauptdarstellerin in „Die Vögel”, heute 87 Jahre alt, wirft dem Film-Mogul in einer Stellungnahme ebenfalls sexuelle Übergriffe vor: „Ich bin hierzu nie ins Detail gegangen und das werde ich nie. Ich kann nur sagen, dass er mich anfasste und seine Hände auf mich legte. Es war sexuell, es war pervers, und es war hässlich.“ Hedren habe sich immer wieder gegen Hitchcock gewehrt, sagt sie. Er habe daraufhin gedroht, ihre Karriere zu zerstören.

Fazit: Im letzten Jahrtausend stecken geblieben

Seit Hitchcock hat sich also nicht besonders viel in Hollywood getan: Verschwiegenheitsklauseln hin oder her. Ruhmessüchtige Starlets, die bereits sind, alles für ihre Karriere zu tun, hin oder her. Das System in Hollywood schützt Täter, während es Opfer mundtot macht. Wie konnte all das die letzten Jahre unentedeckt bleiben? Warum hat nicht eher jemand aufgeschrien und nachgeforscht? Das frage ich mich.

Über 60 Frauen, die sich offiziell gemeldet haben – und du bist schockiert Hollywood? Ehrlich? Das nehme ich dir nicht ab! Als Außenstehende habe ich eher das Gefühl, dass du bewusst weggeschaut und Tätern wie Harvey Weinstein damit einen Freifahrschein erteilt hast. Wer weiß, vielleicht ist die Sache an sich ja auch gar kein Problem für dich. Vielleicht ist es einfach nur ihr Bekanntwerden. Schließlich hat sich Weinsteins Filmstudio – auch hier kann ich mir nämlich nicht vorstellen, dass niemand etwas von seinen Übergriffen gewusst haben soll –  erst im Nachhinein von ihm getrennt. Mit potentiellem Kassengift arbeitet es sich nun mal schlecht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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