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#tenyearchallenge oder wie wir uns selbst belügen

Zehn Jahre und schwups ist aus dem hässlichen Entlein von damals ein wunderschöner Schwan geworden. Wer in den vergangenen Tagen und Wochen auf Instagram und Facebook unterwegs war, ist an der #tenyearchallenge kaum vorbeigekommen. Auf etlichen vorher-nachher-Fotos zeigen Promis und Menschen wie du und ich, wie sie sich in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben, wie aus einem pubertierenden Teenager ein attraktiver Mittzwanziger geworden ist. Doch eins ist das nicht: ehrlich.

Der Gedanke hinter der Challenge ist eigentlich gut: Wir zeigen, dass wir uns in den vergangenen Jahren verändert haben, dass wir gewachsen sind, dass wir uns weiterentwickelt haben. Entwicklung gehört schlicht und einfach zum Leben dazu. In vielen der Posts ist genau davon die Rede: von Wachstum, von Veränderung, von Stärke. Doch zu Veränderung gehören eben auch die schlechten Seiten des Lebens: Fehler, die wir gemacht haben, Sackgassen, in die wir geirrt sind, Krankheiten, die uns geschwächt haben, Menschen, die uns verletzt haben, falsche Entscheidungen, die wir getroffen haben. All dies gehört zu Veränderung, zu Wachstum, zu Stärke. Doch von all diesen Dingen ist in den Posts meistens nicht die Rede. 

Applaus für uns selbst

Sie sind vielmehr ein Schrei in die Welt: Guckt mich an, wie toll ich geworden bin, wie ich mein Leben im Griff habe. So wie wir es gerne hätten. Schon mit der Wahl der Fotos beeinflussen wir das Bild, das andere von uns haben sollen. Die einen entscheiden sich für damals-toll-heute-toller, die anderen für damals-peinlich-heute-attraktiv. Aber egal, die Bilder vermitteln das Gleiche: Nämlich, dass wir unser Leben im Griff haben, dass wir mit uns im Reinen sind, dass wir attraktiv sind. Wir feiern uns selbst ab. Ob das wirklich ehrlich ist, ist zweitrangig. 

Natürlich kann man jetzt sagen, dass es nur eine Challenge wie so viele andere ist, dass nichts dahintersteht. Doch wie bei so vielen Internethypes bleibt die Ehrlichkeit auf der Strecke. Das kann einen stören oder eben nicht. Mir persönlich wäre es lieber, ehrliche Bilder zu sehen. Seht mich an, ich war vor zehn Jahren kein Model und bin es auch heute nicht. Seht mich an, auch mit 25 Jahren habe ich noch keinen Plan vom Leben. Seht mich an, ich bin immer noch Single, habe dafür aber drei Katzen. Warum nicht mal so?