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Meine Unterwäsche faltet Marie Kondo nicht

Aufräumen ist das neue Yoga. Diesen Eindruck habe ich in den vergangenen Monaten bekommen, als Freunde anfingen, mir von Marie Kondo und ihren Ordnungsprinzipien vorzuschwärmen. Auch unsere Autorin Laura hat in ihrem Beitrag begeistert über Kondos Zauberformel geschrieben. Wie einst Yoga scheint Aufräumen der neue Schlüssel zur Glückseligkeit zu sein.

Auch ich finde, dass Marie Kondo mit vielen Punkten richtig liegt, und befolge viele ihrer Ratschläge seit Jahren – ohne dass ich jemals von der japanischen Aufräum-Expertin gehört hatte. Einmal im Jahr miste ich meinen Kleiderschrank aus und verschenke oder spende Kleidungsstücke, die ich nicht mehr trage. Ich sortiere regelmäßig Dinge aus, die ich nicht mehr brauche, bevor sie in irgendeiner Schublade oder Ecke zum Staubfänger werden. Und zuletzt hat alles bei mir seinen festen Platz, an dem es früher oder später wieder landet.

Tatsächlich bin ich ein Mensch, der Ordnung mag und damit groß geworden ist. Schon als Kind brachte mir meine Mutter bei, dass man sich auch von Sachen trennen muss, um Platz für Neues zu schaffen. Eine Grundeinstellung, die sich bis heute bei mir gehalten hat. Doch trotzdem sind Marie Kondos Ordnungsprinzipien nichts für mich: Sie würden mich nicht glücklich machen. Ganz im Gegenteil.

Ein Teil von mir

Klar: Aufräumen kann befreien und den Alltag vereinfachen. Aber nicht alles, was wir besitzen, muss uns glücklich machen oder nützlich sein. Manche Sachen gehören einfach zu mir – und nicht in die Mülltonne.

Von jeder Reise ein Andenken. (Foto: Steffi)

Seit einigen Jahren nehme ich von jeder Reise, die ich mache, ein kleines Andenken mit: ein kleines Wikingerschiff aus Norwegen, Vulkangestein vom Vesuv aus Italien oder kleine Holzschuhe aus Holland. In einer Kiste in meinem Schreibtisch liegen dutzende Postkarten, die mir Freunde und Familienmitglieder geschickt haben. In einer Pappkiste sammle ich seit Jahren Fotos. Ich brauche diese Sachen nicht und wenn ich sie in den Händen halte, bin ich nicht glücklicher. Aber sie sind ein Teil von mir und das soll auch so bleiben.

Wenn ihr mich fragt, müssen wir nicht alles loslassen, müssen nicht immer opferbereit sein. Für mich sind diese Dinge Erinnerungen – sowohl gute als auch schlechte. Und sie gehören zu meinem Zuhause. Ich mag Ordnung, aber Ordnungswahn nicht. Ich will an einem Ort leben, der mich und mein Leben widerspiegelt – nicht in einer Arztpraxis.

Wie die guten und Schlechten Seiten

Ordnungsprinzipien wie die von Marie Kondo gibt es seit jeher. Sie alle sind Versuche, unser komplexes Leben zu entwirren, zu ordnen. Bis zu einem gewissen Grad scheint mir das auch sinnvoll. Aber müssen wir wirklich so vieles loslassen? Müssen wir wirklich alles ordnen und sortieren? Müssen wir wirklich unsere Unterwäsche auf diese eine perfekte Weise falten? Nein, finde ich. Denn ein bisschen Chaos und Unordnung gehören doch genauso zum Leben wie die guten und schlechten Zeiten. Das ist nun mal so.