Bilder von köstlichem Essen, Frauengesichter und bunte Blumen – das ist nur eine Seite von Instagram. Ich schreibe dort zur Zeit über Politik. Pastellfarbige Urlaubsbilder und eine „Mein Leben ist immer perfekt”-Attitüde gibt es zwar in dem sozialen Netzwerk, aber das ist nicht die ganze Wahrheit.
Es gibt dort auch Menschen, die sich für Themen einsetzen und Diskussionen anregen. Auch für Politik. Ich bin keine dieser Personen, ich bin einfach nur auf einen fahrenden Zug gesprungen. Die Dichterin und Bloggerin „Kea_schreibt” hat den Hashtag #ichgehwählenchallenge2017 ins Leben gerufen. Zehn Tage lang soll jeder, der an der Challenge teilnimmt, täglich etwas über Politik schreiben. Die Themen gibt sie vor.
Ich habe mich also dieser Challenge gestellt, wie auch einige andere Instagramer. Die Themen sind ziemlich persönlich und machen mit mir zwei Dinge: Erstens, ich muss mich mit Fragen auseinandersetzen, die ich mir vorher noch nie gestellt habe. Warum engagiere ich mich nicht politisch? Was war Politik bei mir Zuhause? Was ist für mich ein wichtiges politisches Thema? Ich dachte zu Beginn, ich kann mal eben in zehn Minuten ein bisschen Text zu einem Bild schreiben. Aber ich brauche dafür viel länger. Denn ich muss mir richtig Gedanken machen – und ich bin froh darüber.
Zweitens schreibe ich nun öffentlich viel mehr und persönlicher als ich es sonst tue. Wie nackig ausziehen, so fühlt es sich an. Das ist in gewisser Weise ein Widerspruch. Denn ich veröffentliche schon seit Jahren Bilder von mir. Ich poste von unterwegs meinen Standort, meinen Urlaubsort und die Uhrzeit zu der ich Mittagspause mache. Das ist eigentlich schon ziemlich transparent. Aber ich veröffentliche nicht meine persönliche Meinung. Und wieso fühlt sich das jetzt so komisch an? Weil man dafür richtig Arsch in der Hose haben muss. Ich setze mich nämlich der Gefahr aus, dass Menschen das lesen, die nicht meiner Meinung sind, mit mir diskutieren wollen, mich angreifen oder mir schlichtweg widersprechen.
Weil aber ich der Meinung bin, dass eine Gesellschaft Menschen braucht, die Prinzipien und Überzeugungen haben und zu ihnen auch stehen, habe ich mich trotzdem der Challenge gestellt. Und, ja: Instagram ist überflutet von weichgespülten Inhalten. Aber ratet mal was. Die Inhalte stammen von uns, den Usern. Und wenn ich ein paar Tage über Themen schreibe, die mir wichtig sind, verändere ich zwar nicht die Welt, aber ich trage meinen Teil dazu bei, etwas zu verändern. Genauso wie mit meiner Stimme am Wahltag.
Am Ende haben rund 100 Menschen bei der Challenge mitgemacht und sich nicht nur mit gesellschaftlichen Fragen auseinandergesetzt, sondern ihre Gedanken auch noch unter die Leute gebracht. Ich habe nicht nur geschrieben, sondern auch viele interessante Beiträge gelesen und neue Instagram-Accounts entdeckt. Mir persönlich hat die Challenge Politik näher gebracht. Denn irgendwie wirkten politische Themen auf mich immer abstrakt. Aber eigentlich geht es ja um unser Leben, unsere Visionen und Werte. Politik betrifft mich in meinem eigenen Leben viel mehr, als ich es wahrhaben wollte. Und das heißt, dass ich mich darum in Zukunft viel mehr kümmern sollte als bisher. Ich kann mir nur wünschen, dass das noch viele andere so sehen und ihre Stimme bei der Bundestagswahl abgeben. Denn nur weil Politiker den Weg nicht so richtig in die sozialen Netzwerke finden, dort, wo wir – die jungen Wähler – uns aufhalten, sollten wir nicht andere über unsere Zukunft entscheiden lassen.
Instagramer, die mich mit ihren Themen inspirieren:
Trash is for Tossers: Lauren Singer lebt ein möglichst abfallfreies Leben und hat in zwei Jahren nur ein Schraubglas voll Plastik verbraucht.
Bodyposipanda: Megan Jayne Crabbe setzt sich für neue Schönheitsideale ein.
evaschulz: Eva Schulz ist Journalistin und produziert politische Inhalte in Formaten für soziale Netzwerke.
Posts von anderen Challenge-Teilnehmern:
Über 300 Beiträge gibt es mittlerweile unter dem Hashtag #ichgehwählenchallenge2017.