Foto: Adobe Stock

Fem-Talk: Hört auf, Frauen Mädchen zu nennen

Määääääädels  – so ruft Heidi Klum seit etlichen Staffeln die Teilnehmerinnen ihrer Castingshow. Doch damit nicht genug: Denn nicht nur Heidi Klum nennt Frauen Mädchen. Wir treffen uns zum Mädelsabend oder sprechen mit unseren Freundinnen über Mädchensachen. Dabei sind weder Heidis Modelnachwuchs noch wir selbst Mädchen. Also Schluss mit der Verniedlichung!

Worte haben Macht. Fakt ist: Sprache formt die Kategorien, in denen wir die Welt wahrnehmen. Worte sind nicht nur Ausdrücke, sondern stehen für etwas. Sie haben eine tiefere Bedeutung, die jedes Mal mitschwingt, wenn wir sie benutzen. Ein Mädchen ist eben nicht nur eine junge Frau. Das Wort vermittelt ein verniedlichendes Bild, für das die meisten erwachsenen Frauen nicht stehen. Sie wollen ernst genommen werden, ihre Leben in die Hand nehmen, Erfolg im Job haben. Alles, was das Wort „Mädchen“ nicht widerspiegelt.

Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen. – Mark Twain

Bei dem Wort „Mädchen“ habe ich sofort ein Bild vor Augen: Ich sehe ein Kind in einem bunten Kleid, das lachend mit seinen Freundinnen spielt.  „Mädchen“ bedeutet süß, unbedarft und unreif. Trotzdem lassen wir Frauen uns immer wieder ohne Widersprüche so nennen, deklarieren uns gar selbst als Mädchen. Warum? Eine gute Frage. Es kommt keiner auf die Idee, einen erwachsenen Mann „Junge“ zu nennen. Frauen als „Mädchen“ zu bezeichnen, ist dagegen gesellschaftlich akzeptiert.

Mayim Bialiks Video-Botschaft

Auch Big-Bang-Theory-Schauspielerin Mayim Bialiks (die übrigens auch im richtigen Leben einen Doktor in Neurowissenschaften hat) hat im vergangenen Jahr in einer Video-Botschaft den Ausdruck „girls“ scharf kritisiert. „I get super annoyed when people call women „girls“. You don’t call a grown man a „boy“, do you? Yes, I overthink everything“, sagt sie.

"Girl" vs. “Woman": Why Language Matters

I get super annoyed when people call women "girls." You don't call a grown man a "boy," do you? Yes, I overthink everything. Here are my thoughts on why and how to change how we talk about women.

Publiée par Mayim Bialik sur jeudi 23 mars 2017

 

Sprache beeinflusst unser Gesellschaftsbild unterbewusst – auch wenn der Sprecher das nicht beabsichtigt und das Wort unbedacht benutzt. Aber Mädchen stehen eben nicht für das Bild, für das die meisten Frauen heutzutage stehen wollen. Mädchen stehen nicht auf einer Stufe mit Männern, sie stehen darunter. Wir sollten uns deshalb wieder bewusst werden, dass Mädchen Mädchen und Frauen Frauen sind und sie auch so nennen.

3 Comments

  1. Thomas

    Hallo Steffi,
    es wundert dich vermutlich, dass nach so langer Zeit noch jemand einen Kommentar zu deinem Artikel schreibt. Tatsächlich bin ich auf diesen gestoßen, als ich im Internet zu dem Thema “Frauen Mädels nennen” recherchiert habe und fand ihn sehr lesenswert. Der Grund, weshalb mich das Thema interessiert, ist der, dass ich damit aufgewachsen bin, dass es unangebracht ist, Frauen Mädels zu nennen und bis vor kurzem bei erwachsenen Frauen, die sich selbst Mädels nennen, sofort an Frauen gedacht habe, die sich als “niedliche” und unselbständige Mädchen präsentieren. Ebenso war ich der Meinung, dass Männer, die erwachsene Frauen als “Mädels” bezeichnen, ziemliche Machos sein müssen. Nachdem ich nun in verschiedenen Städten studiert und gearbeitet habe, ist mir aufgefallen, dass auch viele selbstbewusste und gestandene Frauen in ihren 30ern gerne mit “ihren Mädels” ausgehen, oder sich wöchentlich zum Mädelsabend treffen. Dies hat mich anfangs ein wenig überfordert. Als eine Studienkollegin (eine sportliche und abenteuerlustige Frau) an einem Montag zu mir gesagt hat, dass sie später noch zu ihrem Mädelsabend wollte, musste ich am Dienstag erst nach einer passenden Formulierung suchen.. Sollte ich fragen: “Wie war dein Frauenabend?” Oder lieber “Das Treffen mit deinen Freundinnen”? Oder eher “Frauenrunde”? Ich weiß heute nicht mehr, was ich letztlich gestammelt habe. Ihre Antwort war jedenfalls: “Meinst du den Mädelsabend? Der war lustig”. Mit der Zeit habe ich für das Wort “Mädels” als Bezeichnung für erwachsene Frauen die Verbannung aus meinem Wortschatz aufgehoben und glaube, gut einschätzen zu können, wann es angebracht ist und wann nicht. Als Regel gilt für mich: Wenn ich nicht sicher bin, ob es für eine Frau in Ordnung ist, als Mädel bezeichnet zu werden, lasse ich es. Ich habe aber heute keine Hemmungen mehr, eine Freundin zu fragen, wie ihr Mädelsabend war, wenn sie diesen Ausdruck selbst benutzt. Auch meine Mitbewohnerinnen begrüße ich ab und zu mit “Hallo Mädels”, da ich weiß, dass es für sie in Ordnung ist. Eine von ihnen hat mich heute übrigens daran erinnert, gründlicher zu saugen und mich darauf hingewiesen, dass “wir Mädels hier in der Wohnung gerne barfuß laufen”. Ein Gegenbeispiel hat mir ein Freund meiner Mutter geliefert, der Teamleiter in einem Büro ist, in dem außer ihm nur Frauen arbeiten. Dieser berichtete, dass sich eine Angestellte beschwert hatte, nachdem er seine Mitarbeiterinnen mehrfach Mädels genannt hatte. Er war sich keiner Schuld bewusst und meinte, dass die besagte Angestellte nur nicht verstanden habe, dass er Stromberg parodieren wollte. Aus meiner Sicht sollte gerade ein Mann, der ein sonst ausschließlich weibliches Team leitet, besonders auf seine Wortwahl achten und sich Parodien auf Stromberg für Gelegenheiten aufheben, in denen Parodien erwartet werden.

    Dennoch glaube ich, dass bei der Diskussion über dieses Thema oft eine grundlegende Erkenntnis der Kommunikationswissenschaft vergessen wird. Ich meine damit, dass die Nachricht, die von der* Sender*in ausgeht, nicht die ist, die bei der* Empfänger*in ankommt. Es stimmt, dass Wörter wie Mädchen oder Mädel oft verniedlichend oder abwertend gebraucht werden und bei vielen das Bild einer unreifen Frau, die beschützt werden muss, mitschwingt. Das heißt aber nicht, dass das die Intention der Person war, die das Wort gebraucht hat. Wenn man dieser Person nun “erklärt”, dass sie durch ihre Wortwahl ein überkommenes Frauenbild vermittle, wird sie vermutlich dagegen halten und erklären, dass es ganz normal sei, Frauen Mädels zu nennen. Die Person, die sich beschwert hat, wird eventuell an der mangelnden Einsicht der anderen verzweifeln und sich die Haare raufen. Daher plädiere ich dafür, einfach einmal nachzufragen, was der* Andere mit seiner* Wortwahl gemeint hat, ohne ihm* gleich eine bestimmte Bedeutung zu unterstellen. Wenn die als Mädel bezeichnete Frau hingegen sagt, dass sie diese Bezeichnung ablehnt, kann (und sollte) die andere Person diesem Wunsch nachkommen, ohne sich verteidigen zu müssen.

    Im Übrigen gebe ich Jan Recht, dass es durchaus vorkommt, dass sich erwachsene Männer selbst als “Jungs” bezeichnen. Dies kommt auch in der Alltagssprache und in der Popkultur gar nicht so selten vor. So bezeichneten sich die Toten Hosen früher selbst als “Die Jungs von der Opelgang” und die Böhsen Onkelz (für die ich keine Sympathien hege, aber denen man zumindest kaum unterstellen kann, dass sie sich als besonders niedlich präsentieren würden) nannten sich “Wilde Jungs”. Übrigens ist “Schwere Jungs” ja auch ein gängiger Begriff für männliche Gefängnisinsassen und erwachsene, trinkfeste Männer versammeln sich in Burschenschaften. Jede*r, der* schon mal ein Fußballspiel von Arminia Bielefeld besucht hat, wird von erwachsenen Fans den poetischen Schlachtruf “Wir sind die Jungs aus der Leineweberstadt- f+++, oder watt?” gehört haben. Auch die von dir zitierte Aussage Mayim Bialiks trifft nur bedingt zu, da es auch im Englischen Fälle gibt, in denen erwachsene Männer “boys” genannt werden. Ein bekanntes Beispiel ist der Song “American Pie” von Don McLean, in dem es heißt “and them good old boys where drinking whiskey and rye” (sofern er nicht von graubärtigen Dreijährigen gesungen hat, die von ihren Eltern frühzeitig an Alkoholkonsum gewöhnt werden). Ich selbst habe auch noch nie zu meiner Freundin gesagt: “Ich treffe mich noch mit meinen Männern” wohl aber, dass ich noch mit den Jungs los will (wobei meine Freunde und ich sicher viel niedlicher als die Böhsen Onkelz sind, was zugegebenermaßen nicht ganz so schwer ist). Ein beliebter Scherz in reinen Männer- (oder Jungs-) Runden ist es übrigens, beim Hereinkommen “Hallo Mädels” zu sagen. Aber auch da kommt es auf den Kontext an. Eine Gruppe Hooligans würde ich so nicht begrüßen…

    Ich hoffe, mit diesem Kommentar noch einen sinnvollen Beitrag gegeben zu haben und würde mich über deine Antwort freuen.

    Lieben Gruß,
    Thomas

  2. Steffi

    Hallo Jan,
    vielen Dank für deine ausführliche Nachricht! Es freut mich, dass du dich so sehr mit dem Artikel und dem Thema auseinander gesetzt hast.
    Natürlich gibt es Situationen, in denen es okay ist, Worte wie “Mädel”, “Mädchen” oder “Junge” zu benutzen. Für mich persönlich sind das vor allem Situationen, in denen man unter Freunden ist. Auch beim Flirten mag es okay sein, um das Eis zu brechen und ein Gespräch in Gang zu bringen. In diesen Punkten stimme ich dir zu.
    Mit meinem Artikel wollte ich vor allem darauf aufmerksam machen, dass man über diese Begriffe nachdenken und sie bewusster benutzen sollte. In einigen Situationen mag es okay sein, in anderen aber nicht. Dazu zählt für mich zum Beispiel der Berufsalltag. Das hast du ja auch selber angesprochen. Ich denke, es ist immer wichtig die Situation zu berücksichtigen und zu überlegen, ob es nur um einen lockeren Spruch unter Freunden geht oder darum, den anderen “kleinlicher” oder “schwächer” erscheinen lässt. Das passiert – meiner Meinung nach – leider zu oft und ohne dass die Sprecher das merken.
    Deine letzten Fragen bedürfen alle viel mehr Umfang, als es in so einer Antwort möglich ist. Ich hoffe aber, ich kann dir hiermit meine Intention und meine Hoffnung hinter dem Artikel erklären: Ich sehe es generell als wichtig an, über Sprache und ihre Bedeutung nachzudenken. Solche Themen einfach einmal anzusprechen und zu diskutieren – und es hat sich gezeigt, dass die Meinungen dabei sehr weit auseinander gehen – hilft, ein Bewusstsein zu schaffen. Es geht nicht darum, klare Grenzen abzustecken, was geht und was nicht. Ich wollte mit dem Artikel vielmehr bewirken, dass über das Thema nachgedacht wird und in der Gesellschaft ein Bewusstsein entsteht.
    Viele Grüße,
    Stefanie

  3. Jan

    Hallo Stefanie,

    ich hoffe mal, dass ich als Mann auch am Fem-Talk teilnehmen darf?! 😀
    Zunächst einmal möchte ih dir sagen, dass ich deine Auffassung im Grundsätzlichen teile. Sendungen wie “Germany’s Next Topmodel”, “Der/Die Bachelor(-ette)” oder ähnliche Sendeformate reduzieren Frauen auf ihr Äußeres und fahren damit Quoten ein. Dass ich mir solche Sendungen, aus persönlichen Gründen, nicht ansehe sei hierbei am Rande erwähnt. Ich finde, dass diese Sendungen ein nicht mehr zeitgemäßes Frauenbild entwerfen und wäre auch nicht abgeneigt, wenn diese aus den Sendeplänen von i.d.F. RTL verschwinden würden.
    Allerdings gibt es auch Punkte, die ich anders sehe. So z.B. das hier: “Es kommt keiner auf die Idee, einen erwachsenen Mann „Junge“ zu nennen. Frauen als „Mädchen“ zu bezeichnen, ist dagegen gesellschaftlich akzeptiert.”. Das stimmt so allgemein nicht. Männer bezeichnen sich in einer Gruppe z.B. auch als Jungs. (Ob das bei Frauen auch so ist kann ich leider nicht sagen :P). Mir ist es sogar schon untergekommen, dass eine Frau uns in der Gruppe als Jungs angesprochen hat. Ich für meinen Teil habe eine erwachsene Frau noch nie direkt als Mädchen tituliert. Das allseits bekannte “Määäääääääädels” hingegen schon, aber in meinen Augen ist das keine Herabwürdigung der Frauen, sondern vielmehr eine Art zu flirten. Man kriegt dann durchaus Gegenwind, aber man ist im Gespräch. Ich finde ein bisschen Unbekümmertheit ist in solchen Situation durchaus erlaubt.
    Außerdem wäre ich vorsichtig mit der Aussage “[…] ist gesellschaftlich akzeptiert […]”. Ich für meinen Teil akzeptiere ein solches Verhalten in alltäglichen Situation nicht. Im Beruf ist es zudem am unangebrachtesten, da diese Wortwahl genau eines zur Folge hat: Sie stellt die Frauen im Vgl. zu den Männern als “kleinlicher” und “schwächer” dar. In diesem Punkt gebe ich dir Recht.
    Weiterhin finde ich einen Vergleich der englischen mit der deutschen Sprache in diesem konkreten Fall schwierig. Die übersetzerische Bedeutung von “girl” (=Mädchen) und “boy” (=Junge) möge die gleiche sein, aber die Art und Weise wie man diese Wörter wahr- und aufnimmt ist m.E. nach nicht dieselbe. Ich bin der Meinung, dass man das für jede Sprache einzeln diskutieren muss und nicht von der Bedeutung in der einen auf die Bedeutung in der anderen Sprache schließen kann, aber dann müsstest du wahrscheinlich einen Roman von mehreren hundert Seiten verfassen. Dass du dafür wahrscheinlich keine Zeit hast, sehe ich ein 🙂
    Mich würde nur vielmehr interessieren was du dir von den Männern (und auch den Frauen) erwartest, damit diese sprachliche Herabwürdigung der Frauen im Alltag ein Ende hat? Wie sieht deine Vision von einer Welt aus, in der Mann und Frau gleichberechtigt sind? Darf Man(n) in einer solchen Welt überhaupt noch flirten oder verstößt er dann schon gegen die Gleichberechtigung? Was ist erlaubt und was nicht (bezogen auf die sprachliche Ebene)? Und v.a. siehst du Möglichkeiten wie wir uns als Gesellschaft diesem Ziel (zumindest ein wenig) nähern können?

    Mit den besten Grüßen

    Jan

Schreibe einen Kommentar