Foto: Antoine Beauvillain

Der Plan mit der Bahn ist kein guter Plan

Vorbeiziehende Felder, Kühe und Pferde und Schafe auf saftigem Grün. Hier und da ein Bussard in der Luft. Kopfhörer auf den Ohren, ein Buch in den Händen. Eigentlich könnte das Pendeln mit der Bahn fantastisch sein. Aber. ABER…

Als ich mir neulich die Kupplung meines alten Volvos zerschossen habe, schmiedete ich einen waghalsigen Plan: Ich pendele mit der Bahn. Das ist sauber und entspannt, dachte ich. Ich würde mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren, rein in die Bahn, runter nach Bremerhaven und mit dem Fahrrad dann zur Arbeit. Die Bahn braucht theoretisch 39 Minuten, zusammen mit der Radstrecke würde ich insgesamt 60 Minuten für 45 Kilometer unterwegs sein. Mit dem Auto waren es etwa 45 Minuten von Haustür zu Haustür. Ein Verlust von 15 Minuten. Nicht der Rede wert.

Der Plan war äußerst schwierig

Leider war das alles nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte. Vielleicht wäre es das gewesen, wenn ich doppelt so viel verdienen würde und Zeit keine Rolle spielen würde. Da ich jedoch kein Top-Verdiener bin und Zeit sehr wohl eine Rolle spielt, erwies sich mein Plan als äußerst schwierig. Eine Wochenkarte von Cuxhaven nach Bremerhaven-Lehe kostet 52 Euro, aber mit dem Fahrrad kommen täglich 5 Euro für die Fahrrad-Tageskarte dazu. Somit war ich schon bei 77 Euro. Wenn ich dann nach der Arbeit oder am Wochenende noch einmal rüber nach Otterndorf zum Skaten wollte, kamen da für die Hin- und Rückfahrt plus Fahrrad-Ticket 13,20 Euro oben drauf. Da ich mindestens einmal die Woche raus muss aufs Brett, würde mich der umweltfreundliche Lifestyle schon gute 90 Euro in der Woche kosten.

Schmerzhaft, aber okay

Mit einer Tankfüllung meines Volvos konnte ich 7 Mal nach Bremerhaven und zurück und mindestens einmal die Woche nach Otterndorf zum Skaten fahren. Eine Tankfüllung kostet im Schnitt 60 Euro. Im Monat würde ich also 120 Euro mehr ausgeben, rechnete ich mir aus. Schmerzhaft, aber okay. Machbar, irgendwie machbar, dachte ich und startete in ein Leben mit der Bahn.

Die denken, ich bin ein fauler kanacke!

Direkt am zweiten Tag verspätete sich der Zug um 30 Minuten. “Grund dafür sind Verzögerungen im Bahnverkehr”, stand auf der Anzeige-Tafel am Bahnhof. Ein paar Tage danach das gleiche Spiel, nur setzte die Bahn noch einen oben drauf. 90 Minuten Verspätung. Die Gründe dafür rollten in den gleichen orangefarbenen Buchstaben wenig vertröstend über die Anzeigetafel. Links und rechts neben mir stiefelten entrüstete Kunden der Bahn auf dem Bahnsteig hin und her. “Nicht schon wieder”, sagten sie, oder “Jede Woche das gleiche”. Ein paar Meter weiter erzählte ein dunkelhäutiger Typ zwei Mitwartenden, dass die permanenten Verspätungen der Bahn schon massive Auswirkungen auf seinen Job gehabt hätten. “Meint ihr, die glauben mir? Die denken, ich bin ein fauler Kanacke!”, sagte er und schüttelte den Kopf. Es war mein fünfter Tag mit der Bahn und mir wurde ganz flau im Magen.

Das Leben mit der Bahn ist unfair

Und ich war einfach nur genervt. Wie viele Male stand ich schon an Bahnhöfen und hörte diesen jämmerlichen Kling-Klang aus den Lautsprechern, gefolgt von den metallischen Worten: “Achtung, eine wichtige Information für alle Fahrgäste. Der Zug Blablaba verspätet sich heute um…” Wie naiv war ich, anzunehmen, es könnte dieses Mal anders sein? Eine umweltfreundliche und entspannte Art zu Reisen? Das Leben mit der Bahn ist vielleicht umweltfreundlich, ja, aber es ist unfair und nervenaufreibend und unflexibel. Das sind alles Dinge, mit denen man vielleicht leben könnte, aber nicht für diesen Preis. Ich kann es mir nicht leisten, knapp 360 Euro im Monat dafür auszugeben, an die Arbeit und zum Sport zu kommen, ohne zu wissen, ob und wann ich ankomme, ob ich stehen muss oder mein Fahrrad vielleicht nicht mehr reinpasst.

Zuverlässigkeit und Preispolitik

Wenn das Pendeln mit der Bahn attraktiver werden soll, weil es tatsächlich eine saubere Lösung ist, dann muss da dringend was unternommen werden in Sachen Zuverlässigkeit und Preispolitik. Nur dann kann sauberes Reisen funktionieren. So fiel mir jedenfalls kein Grund ein, nach zwei Wochen Bahn den Volvo nicht wieder reparieren zu lassen und auf die Straße zu bringen.