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Bremerhavener: Wie viel lächelt ihr?

„Was haben die Leute heute für scheiß gute Laune?”, beschwere ich mich, als ich von meiner Recherche zurück in die Redaktion komme. Scherzhaft natürlich. Es ist ein wunderschöner Herbsttag. Montag. Mittagszeit. Ich sitze auf einer Bank am Theaterplatz und beobachte die Menschen – mit einer Intention: Wer und wie viele von ihnen lächeln? Eins schon mal vorweg: Ich wurde enttäuscht – es waren weitaus mehr als erwartet.

Montag hin oder her: Dieser Tag ist prädestiniert dafür, auch mal völlig grundlos mit einem Lächeln durch die Gegend zu laufen. Allein die Sonne lacht schon so, dass es einen einfach happy machen muss – zumindest für den Moment. Auf dem Theodor-Heuss-Platz herrscht außerdem ein buntes Treiben: die ersten Buden für den Weihnachtsmarkt werden aufgebaut. Zudem ist für die meisten gerade Mittagspause angesagt. Unter diesen Voraussetzungen nehme ich also mit einem Kaffee auf einer Bank Platz, überschlage die Beine und lege los mit meiner Recherche.

Nach fünf Männern, die alleine unterwegs sind, das erste richtige Lächeln: zwei Mädels, vielleicht 30 Jahre alt, vermutlich Freundinnen. Beide mit einem Kaffeebecher in der Hand, sie sind in Eile, eine raucht, dabei unterhalten sie sich. Ein kurzes Lächeln ist drin. Die andere erwidert es aber nicht wirklich. Dann gehen sie – wieder vollkommen ernst – an mir vorbei.

Die beiden – ebenfalls relativ jungen – Handwerker links von mir, die gerade die Dekoration an eine der Weihnachtsbuden schrauben, sind zwar konzentriert, aber mit einem Lächeln bei der Arbeit. Zumindest der eine, der auf einer Stelle des Krans steht, wo er eigentlich nicht stehen sollte. Wann dem sein Lachen wohl vergehen wird, frage ich mich. Ich werde das im Auge behalten…

Being happy is a very personal thing and it really has nothing to do with anyone else.

Ein älteres Pärchen geht an mir vorbei. Richtig süß: Er trägt ihre Tasche. Grund zum Lächeln habe beide trotzdem nicht.

Jetzt ruft der Typ von der Weihnachtsbude: „Mit Leiter schnell herkommen”… Ich muss lachen.

„Thorsten” ist zu doof, die Leiter auseinander zu klappen, bemerke ich, als ich abgelenkt werde: Ein kleiner Terrier schnüffelt an meinen Schuhen. Frauchen zieht an der Leine, blickt zu mir hoch, schmunzelt, ruft ihrem Schoßhündchen „nein” zu, bevor sie weiter geht.

Ein lautes Lachen lässt meinen Blick nach rechts schweifen. Zwei Frauen, vielleicht Mutter und Tochter, sitzen auch bei nur zehn Grad relativ dick eingemummelt draußen in der BROTBAR. Ihr Lachen hat mich nicht nur auf sie aufmerksam gemacht, sie unterhalten sich auch jetzt noch angeregt und scheinen die Zeit in der Sonne durchaus zu genießen.

Mann und Frau mit Kind in der Mitte ziehen vorbei. Bleiben kurz an der Ecke stehen. Schauen sich um, gehen weiter, lächeln nicht.

Dann muss ich wieder herzhaft lachen. Von weit her ertönt Rap-Musik, die schnellen Schrittes auf mich zukommt. Den Zeilen nach zu urteilen dürfte es „Mein Debut” von Boykott sein. Während ich über die Lyrics grüble, rauscht der Typ immer näher. Komplett in schwarz gekleidet, Kapuze auf, Leinenbüdel in der Hand. Gekonnter Stilbruch, darin muss sich sein Verstärker befinden. Die Musik ist so laut, dass sich eigentlich jeder nach ihm umdreht und relativ offensiv darüber schmunzeln muss.

Don’t feel guilty for doing what’s best for you.

Als ich diese Zeilen schreibe, kommt einer der Weihnachtsmarkt-Aufbauer bei mir an… (hab’ wohl zu offensiv beobachtet.) Er lacht, versucht die richtigen Worte zu finden. „Hey.” Ob ich ihm nur kurz sagen könnte, wie alt ich bin. Ich gucke ihn fragend an – so nach dem Motto: „Kommt noch was?” Das bemerkt er schnell und fügt an: „Mein Kollege findet dich hübsch, meint aber, du bist erst 13 oder so. Ich habe ihm gesagt, dass das nicht stimmt.” Ich bin ziemlich perplex. So perplex, dass ich nachrechnen muss, wie alt ich bin. Mit „24” ist der dann zufrieden und zieht ab. Die Wette hat er wohl gewonnen.

Zwei Mädels kommen vorbei, dieses Mal vielleicht wirklich 13 Jahre alt. Mit Rucksäcken auf, kommen wahrscheinlich gerade aus der Schule. Die eine zeigt der anderen etwas auf ihrem Smartphone, worüber sie sich ziemlich amüsieren.

Und auch die Menschen, die in der Zwischenzeit vorbeigehen, nehme ich beiläufig als alles andere als grummlig war. Natürlich bricht man, vor allem wenn man alleine unterwegs ist, nicht gerade in Gelächter aus. Aber bis jetzt wirkte keiner so richtig mies drauf. Das gefällt mir. Man sieht den Menschen heute an, dass sie ihr Leben gerade genießen, positive Gedanken haben, sich auf die neue Woche freuen. Ich setze mir also kurzfristig ein anderes Ziel und warte, bis jemand so richtig böse dreinschaut.

Lächeln trotz Laster

Die Sonne ist mittlerweile hinter dem Theater verschwunden, meine Hände werden ziemlich schnell ziemlich kalt. Ich will mich nochmal konzentrieren, mich umsehen und auf einmal komme ich mir vor, wie im falschen Film. Noch mehr lächelnde Menschen. Nur lächelnde Menschen. Ich bin mir ziemlich sicher: Es muss am Wetter liegen. Oder daran, dass gerade Wochenende war. Denn als ich die Idee für diesen Artikel hatte, war genau das Gegenteil der Fall. So viele betrübte Menschen, dass ich dachte: Das muss man eigentlich mal genauer unter de Lupe nehmen. Und heute werde ich so positiv überrascht, dass es mich selbst sehr happy macht. Meine eignen Probleme erscheinen auf einmal ziemlich klein. Denn ich weiß: Jede dieser Personen, die ich heute beobachtet habe, hat ein mehr oder weniger großes Laster zu tragen. Und wenn ein schöner Tag helfen kann, die Dinge etwas entspannter oder gelassener zu sehen, dann möchte ich das heute als Inspiration mitnehmen.

Be the sunlight

Mein Fazit lautet ergo: Es ist unglaublich, welchen Einfluss schönes, sonniges Wetter (ganz abgesehen von den Temperaturen) auf das menschliche Gemüt hat. Man hat den Menschen in der Innenstadt ein wenig mehr Leichtigkeit, Lockerheit, Offenheit und Fröhlichkeit angemerkt, als es an anderen Tagen der Fall ist – und unter dieser Devise (wie viel lächelt ihr?) beobachte ich schon einige Zeit. Doch da solche Sonnentage in Bremerhaven auch eher selten der Fall sind, plädiere ich dennoch dafür, mehr von Innen heraus zu strahlen. Selbst die Sonne zu sein. Und andere mit den Strahlen zu infizieren. Das wäre schön und würde das Leben auch an Nicht-Sonnentagen etwas leichter machen.

Was tun, wenn die Sonne uns mal nicht gerade zu einem Lächeln inspiriert? Ich habe mich ungehört und einige gute Tipps aufgeschnappt:

Tolle Menschen machen glücklich.

Lachen, das ansteckt.

Eis – immer und überall.

Ausschlafen. Und Lach-Yoga – das wirkt wirklich.

Ein gutes Buch.

Zeit für meine Hobbies.

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