Foto: Art Basel

Art Basel 2017: Totale Reizüberflutung im Kunstolymp

Kunst in allen Varianten, wohin das Auge reicht. Einen Kunstfan wie mich bringen bereits die reinen Fakten der Art Basel zum hyperventilieren: 291 Galerien aus 35 Ländern präsentieren auf 27.500 Quadratmetern über 4000 Künstlerinnen und Künstler.

Die 48. Ausgabe der weltweit bedeutendsten Messe für moderne und zeitgenössische Kunst fand vom 13. bis 18. Juni statt und lockte in nur sechs Tagen um die 95.000 Besucher in die Stadt im Dreiländereck. Dieses Jahr war ich beim Zusammentreffen der Kunst-High-Society zum ersten Mal mit von der Partie. Und ich hatte das Glück, mit dem erlesenen Kreis der Kunstfreunde die Messe bereits zu den „private days” vor der Vernissage besuchen zu dürfen.

Die Art Basel in ihrer gesamten Erscheinung in einem so kurzen Text zu umreißen fällt schwer. Dennoch kommt mir ein Wort in den Sinn, um einen persönlichen Eindruck des Messespektakels wiederzugeben: Maßlos! Zunächst ließ allein die Dichte und Qualität der hier gezeigten Werke meinen Puls in die Höhe schnellen. Beim Durchkämmen des ästhetischen Labyrinths der Messestände in Halle 2 begegnete ich von Großmeistern der Moderne wie Braque, Miró oder Picasso bis hin zu zeitgenössische Trendsettern wie Neo Rauch, Wolfgang Tillmanns oder Anne Imhof – alles was Rang und Namen hat. Auch die Wiedersehensfreude war groß. So jubelte ich heimlich, wenn Werke eines Künstlers in Sicht kamen, welcher bereits in Bremerhaven zu sehen war. Und dieser Jubel war nicht selten. Paloma Varga Weisz, Stephan Balkenhol, Manfred Pernice oder auch Franz Erhard Walther sind keine Unbekannten im Norden.

Taumel im Kunstrausch

Beim Betreten der Halle 1 verfiel dann wohl so mancher in einen Kunstrausch. Im Unlimited Sektor der Art Basel präsentierten die Galerien auf 16.000 Quadratmeter insgesamt 76 teils spektakuläre Großinstallationen.

Galleria Continua, Hauser & Wirth, Subodh Gupta (Foto: Art Basel)

Gigantisch war die Arbeit „Cooking the World” mit einer 45-minütigen Koch- und Essperformance des indischen Künstlers Subodh Gupta. Im Inneren seiner Installation – von aus von der Decke hängenden Kochutensilien – erwartete die Besucher eine Art indisches Restaurant, in dem das Essen quasi vom Künstler vorbereitet und vom Betrachter konsumiert wird. Das Ritual sich an einem Tisch zu versammeln und ein Essen zu teilen, deutet für mich auf Inklusion und Akzeptanz innerhalb einer Gemeinschaft hin. Eine kleine Geste mit großer Nachwirkung in Zeiten, die geprägt sind von Vertreibung, Intoleranz und Entfremdung. Das Essen war zwar gratis, doch leider waren alle Plätze bereits ausgebucht und ich kam nicht in den Genuss, eines kostenlosen indischen Mahls inmitten von Kunst. Schade, bei Preisen von 6 Franken für einen Kaffee in der Schweiz.

Vom Restaurant führte mich mein Weg weiter in eine Schlecker-Filiale. Ja, ich bin immer noch auf der Art Basel. Doch während man bei Subodh Gupta Genüsse und Gemeinschaft erfährt, wird man in der Installation „Leck” des Künstlerkollektivs FORT mit leergeräumten, teils schmutzigen Regalreihen, kalten Neonröhren, einem nackten Zigarettenkäfig und einer alten Registrierkasse konfrontiert. Obwohl mir die Einrichtung der ehemaligen Drogeriekette Schlecker vertraut ist, weckt die kahle Ladeneinrichtung ein Unwohlsein in mir. Dieses Symbol des wirtschaftlichen Niedergangs wirkt so surreal in einer Umgebung, in der sich die Reichsten der Reichen mit Statussymbolen ausstatten.

Ein Kunstwerk brachte mich schließlich erst zum Stutzen und beim Blick auf den Titel zum Schmunzeln. Einsam in einem White Cube stand ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum des Künstlers Philippe Parreno mit dem Titel „Fraught Times: For Eleven Months of the Year it’s an Artwork and in December it’s Christmas (July)”. Abhängig vom Raum, der Zeit und der Situation wird Parrenos Objekt als Kunst oder als dekorativer Weihnachtsbaum wahrgenommen.

Von der Kunst zur Sozialstudie

Ermüdet vom Kunstbetrachten schweift meine Aufmerksamkeit immer wieder zu den Menschen um mich herum. Warum sind sie hier? Wer von ihnen ist Galerist, Kunstexperte, Künstler, Sammler oder Laie? Einige von ihnen sind auffallend gut, teils exzentrisch gekleidet. Von chic bis lässig ist jeder Kleidungsstil vertreten. Das Unwissen um die Hintergründe und Motivation der anderen Messebesucher, lässt Platz für Fantasien. In meinem Kopfkino male ich mir Geschichten aus von aufstrebenden Kunststars, ehrgeizigen Galeristen und träumenden Kunststudenten.

Für den Otto Normalverbraucher ist Basel während der Messewoche ein Kunstwunderland. Für Händler, Galeristen und Sammler ist es ein Kunsthandelplatz. So manchen Besuchern werden die Preise vieler Kunstwerke maßlos erscheinen. Die Geiz-ist-geil-Mentalität gilt hier jedoch nicht. Wer sich mit einem Werk von der Art Basel ausstatten möchte, muss auch dementsprechend tief in die Tasche greifen. Insgesamt sind umgerechnet 4.5 Billionen US-Dollar an Kunstwerten vertreten. Ganz klar, die Art Basel ist kommerziell und mir wird wieder bewusst, wie einflussreich die ökonomische Seite der Kunst ist. So herrscht auch auf dem Kunstolymp eine strenge Hierarchie. Nicht jeder kann einfach so mitmischen: Eine Zulassungsjury entscheidet, welche Galerien auf der Messe ausstellen dürfen. Zudem spiegelt die Platzierung in der Halle die Relevanz der Galerie am Markt wieder.

Basel ist mir als Museums-Junkie auf Anhieb sympathisch. 40 Museen auf gerade mal 37 Quadratkilometern. Und als wäre das nicht schon genug, verwandelt sich die Stadt während der Messewoche in ein riesiges Kunstfestival. Museen veranstalten spezielle Events, zeigen spektakuläre Ausstellungen und Satellitenmessen wie Liste, Scope oder Volta geben der jungen Galerieszene eine Plattform. Künstlerische Interventionen zwischen der Wettstein- und der Mittleren Brücke erobern den öffentlichen Raum der Altstadt.

Auszeit im Kühlen Nass

Zur Abkühlung von dem ganzen Kunstgewirbel ist ein Sprung in den Rhein genau das Richtige. Beim Museum Tinguely wage ich meinen ersten Badeversuch. Dank dem „Wickelfisch”, einem bunten wasserdichten Beutel, lassen sich Kleider und Schuhe trocken mittransportieren. Fast 1,5 Kilometer lasse ich mich von der Strömung des Flusses tragen, bevor ich den bunten Strom an Menschen und Wickelfischen verlasse und wieder erfrischt ans Ufer steige.

VENI, VEDI, AMAVI – Ich kam, ich sah, ich liebte! Zweifellos habe ich viele Attraktionen aufgrund mangelnder Zeit und Ausdauer verpasst. Doch das besondere Flair der Messe und die einzigartige Atmosphäre der Stadt haben mich mitgerissen. Die Art Basel im Sommer 2018 steht schon jetzt fest in meinem Kalender.

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Andrea

Über Andrea Fuest

Andrea ist immer in Bewegung, ob in ihren Laufschuhen, auf dem Crossbike oder auf Reisen am liebsten in Osteuropa. Ihr berufliches Treiben in der Kunstwelt ist zugleich ihre Leidenschaft, sodass Museums- und Ausstellungsbesuche auch im Urlaub und am Wochenende nicht fehlen dürfen. Als Ausgleich zum White Cube lebt sich die Möchtegern-Gärtnerin auf ihrem 2,5 Quadratmeter großen Mini-Balkon aus.

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