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Sexismus-Debatte: Wie nackt darf es sein?

Echt, schön, kurvig – RTL 2 sucht wieder das „Curvy Supermodel” und ruft damit jetzt auch die Sittenhüter im Land Bremen auf den Plan. Zu viel nackte Haut auf den dazugehörigen Werbeplakaten, lautet der Vorwurf. Nach mehreren Beschwerden von Bürgern prüfen die Landesfrauenbeauftragte und das zuständige Bauressort, ob die freizügigen Plakate aus dem Stadtbild verschwinden können. Bremen ist damit das erste Bundesland, das gegen sexistische Werbung vorgeht. Ein Lagebericht.

Als bislang einziges Bundesland geht Bremen seit April gegen sexistische Werbung auf öffentlichen Werbeflächen vor. Erst mal gilt das nur in der Stadt Bremen. Aber auch Bremerhaven will demnächst ein Auge auf sexistische Plakate haben: „Bei der anstehenden Neuausschreibung des Vertrages zur Städtereklame soll jetzt mit aufgenommen werden, dass sexistische Werbung verboten ist“, sagt Magistratssprecher Volker Heigenmooser. „Das ist als präventive Maßnahme gedacht. In den aktuellen Verträgen gibt es keine Möglichkeit, das zu unterbinden.“ Künftig dürften dann Plakate wie die von den „Curvy Supermodels“ in Bremerhaven schwieriger werden.

Wo fängt Sexismus eigentlich an?

Thilo Kelling hat eine eigene Agentur für Marketing und Kommunikation in Bremerhaven. (Foto: PR)

Aus Sicht eines Werbungmachenden ist das eine Frage der individuellen Wahrnehmung. Thilo Kelling hat in Bremerhaven eine eigene Agentur für Marketing und Kommunikation. Seine Erfahrung: „Der eine fühlt sich bereits durch eine Dame in Bademode sexistisch gestört, für den anderen ist eine schlüpfrige Andeutung noch in Ordnung.” Seinen Kunden rate er daher eher zu Zurückhaltung – zumindest was Werbung in den klassischen Medien angeht.  „In sozialen Medien, im Internet und in stark verbreiteten Videoformaten darf es hingegen schon mal etwas zweideutiger werden”, sagt er. Solange es jedoch lustig bleibe und nicht unter die Gürtellinie gehe. „Wie weit man gehen kann, hängt stark vom Produkt und der Zielgruppe ab. Und auch die Werbeagentur sollte für sich genau abwägen, was sie mitzugehen bereit ist.”

Die Bremer scheinen das Thema Sexismus jedenfalls ziemlich ernst zu nehmen: Seit dem Senatsbeschluss im April hat die Gleichstellungsstelle in Bremen acht Hinweise bearbeitet. In einem Fall geht es um das Plakat der kurvigen Supermodels. Da die Gleichstellungsstelle das Plakat für sexistisch hält, hat sie das Bauressort gebeten zu prüfen, ob es von öffentlichen Werbeflächen verbannt werden kann.

„Formal halte ich das Werbeplakat nicht für sittenwidrig”, sagt Agenturchef Kelling. „Es erfolgt aber eindeutig der Einsatz eines sexistischen Motivs, um Quote zu erzeugen. Bei der Casting-Show geht es ja nicht in erster Linie um Nacktheit, sondern um den derzeitigen Subtrend zu vollschlanken Models. Trotzdem werden die Mädchen zur Quotensteigerung auf halbnackte Dickerchen reduziert. Das disqualifiziert zuallererst die Zuschauer dieses Show-Formates.”

Bremen: Noch keine Entscheidung in sicht

Eine Entscheidung, wie es mit den freizügigen Plakaten in Bremen weitergehen soll, stehe noch aus, teilt die stellvertretende Landesfrauenbeauftragte Bärbel Reimann mit. Auf dem Plakat des Fernsehsenders werde ihrer Meinung nach allerdings „übertriebene Nacktheit“ gezeigt. „Die Frauen bewerben sich ja nicht für einen Pornofilm, sondern für eine Modelshow.“ Nicht ohne Grund habe sich die Deutsche Bahn geweigert, die Plakate in Bahnhöfen aufzuhängen. Daher wurden dafür Alternativmotive produziert, auf denen die Models Unterwäsche tragen. Diese Plakate seien dann auch in Ordnung, findet Reimann.

RTL2 hingegen weist die Kritik zurück: „Unser Kampagnenmotiv zeigt attraktive und selbstbewusste Frauen, die zu ihrem Körper stehen und die wir ästhetisch in Szene gesetzt haben“, sagt ein Sprecher des Senders. In allen anderen Fällen habe die Beschwerdestelle die Plakate entweder als nicht sexistisch eingestuft oder es habe sich um private Flächen gehandelt, sagt Reimann. Da könne der Senat nicht mehr tun als die Beschwerdeführer an den Deutschen Werberat zu verweisen.

Nacktheit zieht noch immer

Auch aus Bremerhaven hat die Sittenhüter in Bremen ein Hinweis zu einem Plakat auf einem Bus erreicht. Eine Firma wirbt dort für Bäder mit einer dünn bekleideten Rückseite einer Frau. Robert Haase, Chef von Bremerhaven Bus, sagt, dass die Plakatierung des Kunden in vier Wochen auslaufe. „Wir werden genau darauf achten, die Regeln des Werberates einzuhalten.“

Nackte Haut, so fasst Thilo Kelling zusammen, sei bereits seit geraumer Zeit so inflationär in der Werbung eingesetzt worden, dass die Attraktion, die noch vor 25 Jahren vorhanden war, heute nicht mehr in dem Umfang existiert. „Sie zieht aber trotzdem noch Aufmerksamkeit auf sich”, betont er. „Das sieht man allein daran, dass es immer wieder öffentliche Kritik an Plakatmotiven von zum Beispiel Erotik-Unternehmen gibt. Dabei ist der Grad zwischen positiver und negativer Aufmerksamkeit relativ schmal. Der Werbungtreibende sollte dabei immer das langfristige Image seiner Marke im Blick behalten.” Dies zu gewährleisten, sei eine wesentliche Aufgabe seiner Agentur.

Meine Meinung: Kommt mal klar! 

 

Wir leben im 21. Jahrhundert. Jeden Tag sehe ich auf der Straße junge Mädchen, deren Hotpants und Tops knapper sind als die Bekleidung auf manchen vermeintlich anstößigen Werbeplakaten. Daher können mich ein paar leicht bekleidete Menschen – egal ob Frau oder Mann –, die mir morgens an der Bushaltestelle ins Auge springen, nicht auf die Palme bringen. Ganz klar: Es darf auch in der Werbung nicht alles erlaubt sein. Werbeagenturen und Kunden sind in der Pflicht, die Grenzen des guten Geschmacks im konkreten Fall abzuwägen. Dennoch finde ich, dass wir im Land Bremen wichtigere Probleme haben, als uns jetzt auch noch um das Verdrängen von Werbeplakaten aus dem Stadtbild zu kümmern. Zumal das ohnehin oft ein zahnloser Tiger bleibt, weil der Senat bei privaten Flächen gar keine Handhabe hat.

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Denise

Über Denise Von der Ahé

Ohne Kaffee am Morgen ist sie nur ein halber Mensch. Sie liebt Geschichten über Menschen und Politik. Ihr Herz schlägt für Natur und Meer - auch wenn sie keinen Fisch mag, dafür aber Fisch ist (Sternzeichen). Außerdem interessiert sie sich für Musik, gesundes Essen und Mode.

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