Sieben Jahre zusammen. Sieben Jahre Fernbeziehung. Wir lebten mal mehr, mal weniger weit voneinander entfernt. Aber die Distanz war immer da. Und wir haben es auch nach sieben Jahren nicht geschafft, unser Leben an einem gemeinsamen Ort aufzubauen. Obwohl wir am Ende sogar drei Jahre lang zusammen(fern)gelebt haben. Eine gemeinsame Wohnung in der Heimat, in der ich die Stellung gehalten habe. Er war alle zwei Wochen da. Wir hätten es fast gemeistert. Waren fast am Ziel. Dann haben wir uns getrennt. Hat uns die Entfernung am Ende kaputt gemacht?
Nein. Es war nicht die dauerhafte Fernbeziehung, die unserer Verbindung am Ende geschadet hat, weiß ich vier Monate später. Im Gegenteil: Vielleicht waren wir auch nur deswegen so lange zusammen. Vielleicht hätte uns ein gemeinsamer Alltag viel eher auseinander gebracht. Aber das sind nur Vermutungen. Es gab jedenfalls auch andere Gründe für unser Aus. Hier soll es nur um den Aspekt der Fernbeziehung gehen.
Ich habe mein Abitur in der Tasche. Er hat noch ein Jahr. Ich überbrücke die Zeit bis zum Studium mit verschiedenen Aushilfsjobs in der Heimat. Die Zeit, in der wir zusammenkommen. Im August – um genau zu sein. Im September ziehe ich nach Hamburg. Die Liebe ist frisch, gleichzeitig haben wir Angst. Ein neuer Abschnitt für mich, den wir irgendwie gemeinsam beschreiten wollen. Wir vermissen uns. Sehen uns jedes Wochenende, abwechselnd – ich zu ihm, er zu mir. Die Wochenenden mit meinen neuen Freunden sage ich immer ab. Unter der Woche heißt es Studium, am Wochenende Beziehung führen.
Königsdisziplin: Balance finden
Für sein Studium bleibt er – zum Glück – in der Heimat. Denn eine andere Stadt hätte aus unserer Fernbeziehung ja eine Art Dreiecksbeziehung gemacht – zwischen Hamburg, Heimat und einer neuen Stadt. Nach Hamburg zu kommen war leider keine wirkliche Option für ihn.
Drei Jahre später, nach längeren gemeinsamen Perioden in unseren Semesterferien und Urlauben, gehe ich für drei Monate ins Ausland. Er bringt mich nach New York. Beim Abschied kommt uns – nach fünf Jahren Beziehung – das erste mal der Gedanke einer Trennung. Hat uns dieses Hin und Her kaputt gemacht?
Als er weg ist, bricht mein Herz. Ich merke: Ich kann und will nicht ohne ihn sein. In den drei Monate bekomme ich außerdem zu spüren, was es wortwörtlich heißt, jemanden schmerzhaft zu vermissen. Wir raffen uns also auf, schreiben oder telefonieren jeden Tag, wodurch viele Erlebnisse in New York für mich auf der Strecke bleiben. Im Nachhinein weiß ich oder kann ich besser beurteilen, wie schwierig es ist, die Balance zwischen „Beziehung führen” und „Eigenleben bewahren” zu halten. Vor allem, wenn man ständig getrennt ist. „Angst” hat, im Leben des Anderen etwas zu verpassen. Jetzt weiß ich: das braucht man nicht. Chill. Denn du verpasst vielmehr im eigenen etwas. Du musst dir selbst wichtiger bleiben als deine Beziehung. Beziehungsweise auch dort die Balance finden.
Gemeinsame base als ankerpunkt
Zurück aus New York finde ich einen Job in der Heimat. Zwei Jahre sind hier nun mindestens safe. Wir wohnen mittlerweile zusammen. Während meines Studiums war ich zwischenzeitlich drei Monate in München, hatte meine Wohnung in Hamburg dafür aufgegeben. Da ich anschließend nur beschissene WGs hatte und fortan wöchentlich gependelt bin, hatten wir entschieden, uns eine „gemeinsame Base” einzurichten. Ich fuhr also jedes Wochenende nach Hause. So viel Pendeln geht aber ehrlich gesagt auch ziemlich auf die Nerven – wieder im wortwörtlichen Sinne.
Als ich in München war haben wir uns übrigens drei Mal gegenseitig besucht. Alle zwei Wochen sind wir zueinender geflogen. Eine verhältnismäßig sehr lange Reise, für die Zeit (1,5 Tage), die wir dann gemeinsam hatten.
Aber dennoch: Unsere Fernbeziehung stand auch 2016 unter keinem guten Stern. Bin ich zurück, geht er fort. Für sein Masterstudium nach Hessen. Treffen: alle zwei Wochen. Wo: gemeinsame Wohnung. Wir: sind noch immer mehr allein als beisammen. Ich: baue mir mehr und mehr mein eigenes Leben auf. Denn ich weiß: ich will hier bleiben, in der Heimat. Aber er weiß auch: das möchte er auf lange Sicht ebenso.
Kreisdreher
Im Juni diesen Jahres kommen wir wieder an diesen Punkt, an dem wir vor zwei Jahren in New York schon einmal waren. Wir haben beide das Gefühl, in einer Sackgasse zu sein, uns im Kreis zu drehen. Wissen nicht, wie wir daraus kommen sollen. Also beschließen wir, es ohne einander zu versuchen. Schließlich sind wir darin ja gar nicht so schlecht. Dennoch tut es unglaublich weh, einen Menschen zu verlassen, mit dem du – ganz abgesehen von all den anderen Dingen – in Bezug auf die Fernbeziehung so viel „gemeistert” hast. Und es am Ende dann doch nicht hätte sein sollen.
Dinge, die jeder in einer Fernbeziehung kennt – und vor die sich jeder in Acht nehmen sollte, der eine eingeht:
And then she knew that you could become homesick for people, too.
Distance means so little when someone means so much.
Eine Schlussfolgerung gibt es nicht wirklich. Gefühlt würde ich – trotz aller negativen Aspekte – zu einer Fernbeziehung heute nicht „Nein” sagen. Ich würde es wieder probieren, wieder versuchen alles zu geben für den Menschen, den ich liebe. Wahrscheinlich würde ich aber einiges anders machen. Aber das würde man in jeder neuen Beziehung wahrscheinlich auch – ob nah oder fern. Denn: „Distance is not for the fearful, it’s for the bold. It’s for those who are willing to spend time alone in exchange for a little time with people they love. It’s for those who know good things worth to wait, even the waiting is pain.” Und zu diesen Menschen zähle ich mich.