Foto: Steffi

Neapel: Chaotisch, faszinierend, voller Leben

Auch Nordkinder zieht es ab und an in den Süden: in meinem Fall nach Neapel. Ich wollte im Winter ein wenig die Wärme des Südens aufsaugen, ein wenig „La Dolce Vita“ genießen. Doch was ich in der ersten Stunde sah, war das genaue Gegenteil: Kaum aus dem Flughafen raus wurde ich fast angefahren, während der Autofahrt stand ich im Anbetracht der Fahrweise der Neapolitaner Todesängste aus. An der Straßenrändern lag überall Müll, links und rechts der Straße stand eine Bauruine neben der anderen. Doch der erste Anblick trog: Denn landschaftlich, kulturell und kulinarisch hat die Stadt viel mehr zu bieten, als sich auf den ersten Blick erahnen lasst.

Im Winter ist Neapel noch ein Geheimtipp. Denn während sich Touristen in der Hochsaison gegenseitig auf die Füße treten, lassen sich die Sehenswürdigkeiten im Winter – aber auch im Frühling und Herbst – relativ entspannt erkunden. Und der neapolitanische Winter ist für uns Nordkinder beinahe wie Sommer: zwischen 10 und 20 Grad sind es tagsüber und mit etwas Glück bleibt es trocken und die Sonne scheint ein paar Stunden am Tag. Das einzige Manko an der Nebensaison: In den Touristenorten und den Stränden sind viele Restaurants leider geschlossen. Während wir bei 15 Grad die Sonne genießen, ziehen sie dicke Jacken und Schals an.

In Neapel gibt es in landschaftlicher, kultureller und kulinarischer Hinsicht so einiges zu entdecken. Von den Sehenswürdigkeiten und Gebäuden in der Stadt über den Vesuv und Pompeji bis zur Insel Capri und der wunderschönen Amalfiküste vor den Toren der Stadt. Mit dem Zug ist man außerdem innerhalb von einer Stunde und zehn Minuten vom Bahnhof „Neapel Centrale“ in Rom.

NAPLES IS CURIOUSLY CHAOTIC AND, IF I’M HONEST, A BIT DILAPIDATED. IT CERTAINLY HAS A ‘LIVED-IN’ LOOK. IT’S ALIVE, IT’S VIBRANT, IT’S A LITTLE BIT DIRTY, IT’S BUSY, AND I LOVED IT. I FELT LIKE THIS WAS HOW ROME WOULD PROBABLY HAVE BEEN 2000 YEARS AGO. THERE’S A REAL BUSTLE, AND IT’S DOWN AND DIRTY.
PAUL HOLLYWOOD

Ein besonderes Highlight ist bei jedem Besuch in Italien natürlich das Essen. Pizza und Pasta und alles, was das Herz begehrt. Nahezu überall gibt es kleine Cafés, Restaurants und Imbisse, die zum Schlemmen einladen. Pizzen und Calzonen gehören zu einem Besuch in Neapel genauso dazu wie Meeresfrüchte jeglicher Art. (Miesmuscheln heißen auf Italienisch übrigens „cozze“) Wer es gerne süß mag, kann Babà probieren, ein in Rum getränktes Hefegebäck. Auch Sfogliatelle (Blätterteigtaschen mit Ricottafüllung) sind typisch für die Region. Zu trinken gibt es natürlich Kaffee. Aber auch der für die Region typische Zitronenlikör Limoncello sollte probiert werden. Es gibt ihn in dutzenden Varianten. Viele Neapolitaner stellen Limoncello selbst aus den Zitronen her, die in der Region wachsen.

Auf Entdeckungstour

Die Altstadt Neapels ist voller Leben. (Foto: Steffi)

Neapels Altstadt (Centro Storico) ist auf jeden Fall einen Besucht wert. Immerhin ist sie auch Weltkulturerbe. Es gibt etliche Kirchen, Palazzi und historische Häuser, die mit engen Gassen miteinander verbunden sind. Und in denen tobt das Leben. Es gibt zahlreiche Cafés und kleine Lädchen. Ein Highlight ist die sogenannte Krippenstraße, die Via San Gregorio Armeno: Dort gibt es etliche Manufakturen, die auf Weihnachtskrippen spezialisiert sind. Ein typisches Mitbringsel sind Corni / Cornicelli: Die roten Hörchen haben eine alte Tradition. Nach dem Volksglauben beschützen sie vor dem bösen Blick und negativen Einflüssen.

Meine Empfehlung ist, einen Abstecher in die Unterwelt einzuplanen. Die Tour „Napoli Sotterranea“ führt in ein unterirdisches Labyrinth. 80 Kilometer unterirdische Gänge und kleine Höhlen wurden über Jahrhunderte als Versteck, Schutz und Lagerraum genutzt. In der Unterwelt gibt es viele Brunnen und Zisternen, überall in der Altstadt finden sich verborgene Eingänge. Spannend und interessant ist das auf jeden Fall. Nur wer Angst vor Enge und Dunkelheit hat, sollte lieber oben bleiben.

Einen Besuch wert ist auch Solfatara, ein Vulkan in den phlegräischen Feldern am Golf von Neapel. Es ist ein Vulkankrater aus dem Gase wie Schwefel mit Temperaturen über 200 Grad austreten. In Teilen des Kraters, der übrigens mitten in der Stadt liegt, gibt es brodelnde Schlammbecken. Ein stinkender, warmer und unglaublich interessanter Ort.

In der Innenstadt und den angrenzenden Städten gibt es zudem viele Flecken, die zum spazieren gehen, Aussicht genießen und Kaffee trinken einladen: zum Beispiel das Panorama vom Kloster San Martino auf dem Hügel Vomero oder die Nachbarstadt Pozzuoli. Auch ein Abstecher an die Promenade ist besonders bei guten Wetter schön.

Zwei Must-Sees

Wer nach Neapel reist muss natürlich Pompeji und den Vesuv einen Besuch abstatten. Die Stadt Pompeji wurde bei einem Ausbruch das Vesuv im Jahr 79 nach Christus vollständig verschüttet und unter der Vulkanasche konserviert. Für hunderte Jahre geriet die römische Stadt in Vergessenheit, bis sie im 18. Jahrhundert wiederentdeckt und seitdem ausgegraben wurde. Die Ruinen sind so weitläufig, dass man stundenlang die Spuren der Antike erforschen kann. Es gibt Wohnhäuser, Villen, Plätze, eine Basilica, Tempel und ein Amphitheater. Es ist beeindruckend zu sehen, wie groß und ausgeklügelt die römische Stadt war.

Wer Pompeji einen Besuch abstattet, sollte auch gleich auf den Vesuv gehen – immerhin war er es, der die Stadt unter Schutt und Asche begrub. Der Vesuv ist der einzige aktive Vulkan auf dem europäischen Festland. Zum letzten Mal brach er 1944 aus. Mit dem Auto kann man einen Großteils des Vulkans hinauffahren, den letzten Rest des Weges muss man zu Fuß (oder mit dem Shuttlebus) bewältigen. Oben angekommen kann man über den Rand des Vulkankraters hineinschauen und das Panorama genießen.

Auf den Hängen des Vesuv gibt es Weingüter: Nur sie dürfen ihren Wein „Vesuvio“ nennen. (Foto: Steffi)

Am Hang des Vesuv gibt es zudem zahlreiche Weingüter. Auf einigen dieser Güter gibt es die Möglichkeit, die Weine zu verkosten und mehr über den Anbau zu erfahren. Zum Beispiel bei der Familie Sorrentino, die traditionelle heimische Rebsorten anbaut. Auf dem Weingut wird der Wein „Lacryma Christi“, die Tränen Gottes, hergestellt. Der Legende nach stahl Luzifer ein Stück Land und Gott weinte darüber. Dort wo seine Tränen hinfielen, wurde der Boden besonders fruchtbar – und der Wein besonders gut.

Der Schönheit verfallen

Wer einige Tage Zeit hat, sollte auf jeden Fall die Gelegenheit nutzen und die Region um die Millionenstadt erkunden. In der Bucht von Neapel liegt die (Traum-)Insel Capri, die im Sommer mit ihren zahlreichen Höhlen Yachten anzieht. Die Blaue Grotte ist ein Highlight der wunderschönen Insel. Auch die Vulkaninsel Ischia ist bestechend schon und für ihre Thermalquellen bekannt. Zu beiden Inseln fahren Fähren.

Wer gerne aktiv ist, kann den Pfad der Götter entlangwandern. Der Legende nach trägt der Sentiero degli dei seinen Namen, weil die Götter, die zu den Sirenen wollten, einst diesen Weg zum Wasser wählten. Tatsächlich ist der Pfad der Götter ein wunderschöner Wanderweg, den auch Anfänger meistern können. Der Bergpfad führt an steilen Felswänden vorbei, auf denen Ziegen grasen. Immer im Blick: das kobaltblaue Meer. Von dem kleinen Ort Bomerano braucht man etwa fünf Stunden bis nach Positano. Von dort kann man den Bus zurück nehmen.

Der Klippenort Positano wird auch gerne die „Perle der Amalfiküste“ genannt. Und tatsächlich ist der Ort bestechend schön. Die kleinen Gassen und engen Treppen winden sich den Berg hinunter, alle paar Meter bietet sich ein wunderschöner Ausblick über das Meer, die pastellfarbenen Häuser und historischen Gebäude haben einen ganz besonderen Charme. Ein Ort, wie er auf einer Postkarte nicht schöner sein könnte.

Positano bites deep. It is a dream place that isn’t quite real when you are there and becomes beckoningly real after you have gone.
John Steinbeck

Die gesamte Amalfiküste besticht mit ihrer Schönheit. Steile Berghänge, raue Felsufer, das kobaltblaue Meer, versteckte Strände, pastellfarbene Fischerdörfer. So verklüftet der Küstenstrich ist, so bestechend schön ist er. Im Sommer erblüht die Region in prächtigen Farben. Aber auch zu jeder anderen Jahreszeit ist die Amalfiküste eine wahre Augenweide. In der fruchtbaren Küstenregion wachsen Zitronen und Orangen. Immer wieder sieht man Weinreben und Olivenhaine. Bekannt ist die Amalfiküste für ihre Meeresfrüchte, den Likör Limoncello und Keramik. Klar ist: Jeder der ein paar Tage in Neapel verbringt, sollte einen Abstecher an die Amalfiküste machen. Mit ihrer Schönheit wird sie lange in Erinnerung bleiben.