Foto: Luise

5 Gründe, warum ihr nach Estland reisen müsst

Es ist lange her, dass ich eine größere Reise gemacht habe. In diesem Sommer wollten mein Freund Hardy, mein Hund Dante und ich uns aber mal etwas gönnen. Es sollte ein anderes Land sein, aber nicht extrem weit weg. Es sollte hundefreundlich und möglichst einsam sein. Und wir wollten ein Land kennenlernen, das wir vorher nicht richtig auf dem Schirm hatten. So sind wir auf Estland gekommen – die beste Entscheidung, die wir hätten treffen können! Denn fünf Gründe reichen eigentlich gar nicht aus, um zu erzählen, warum man unbedingt nach Estland reisen sollte.

Natur und Einsamkeit

Die einsamen Strände sind nur einer der vielen Gründe Estland zu besuchen. (Foto: Luise)

Nadelwälder wohin man blickt: Kilometerweit erstreckt sich der Nationalpark Lahemaa über das kleine Estland. Die Bäume stehen so nahe beieinander, dass man nur wenige Meter weit sehen kann. Dahinter hüllt sich der Wald in grünliche Dunkelheit.

Da ich Natur-Urlaub liebe, waren diese dichten, einsamen Wälder für mich genau das Richtige. Stundenlang sind wir gewandert, ehe uns mal ein anderer Mensch begegnet ist.

Fast ebenso einsam sind die meisten Strände in Estland. Und davon gibt es viele! An den Stein- und Grasküsten waren wir fast immer ganz alleine. Aber selbst an perfekten Sandstränden konnte man sein Handtuch locker 100 Meter vom nächsten Badegast entfernt hinlegen. Bei kühlerem Wetter war natürlich sowieso keiner da.

Diese Ruhe hat Estland für mich zum perfekten Urlaubsland gemacht. Ich konnte mal richtig runterkommen und den hektischen Alttag hinter mir lassen. Die pure Entspannung!

Große Grundstücke für wenig Geld

Besser hätte es nicht laufen können: Direkt am Meer haben wir ein kleines, perfekt ausgestattetes Haus mit einem riesigen Garten gefunden. (Foto: Luise)

Schöne Natur und Einsamkeit gibt es an vielen Orten der Welt. Aber wenn man nach preiswerten Unterkünften sucht, wird es schon schwieriger. Von Deutschland aus sind Schweden oder Schottland (beides Länder mit atemberaubend schönen Landschaften) halbwegs schnell zu erreichen. Aber nicht nur Lebensmittel sind hier deutlich teurer als in Deutschland, sondern auch die Unterkünfte. Zumindest dann, wenn man nicht in einem Bed-and-Breakfast, sondern in einem Ferienhaus wohnen möchte.

In Estland hingegen bekommt man riesige Grundstücke und Häuser zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Unser Haus war mit etwa 30 Quadratmetern eher klein, aber dafür hatten wir einen großen Garten, in dem unser Hund herumtoben konnte. Und Nachbarn gab es auch kaum. Das nächste Grundstück lag etwa 100 Meter von unserem Zaun entfernt.

Das Haus selbst war zwar klein, aber top ausgestattet. Wir hatten neben dem üblichen Kram auch Klimaanlage, Mikrowelle, Sauna und sogar einen Saugroboter. Saunen scheinen übrigens in estnischen Ferienhäusern zur Grundausstattung zu zählen. Zumindest haben wir bei unseren Recherchen vor dem Urlaub diesen Eindruck bekommen.

Lebensmittel und Restaurantbesuche sind in Estland allerdings nicht preiswerter als in Deutschland. Im Gegenteil, man zahlt tendenziell ein paar Euro mehr. Dafür waren wir von den Restaurants durchweg begeistert: Ich habe selten so gut gegessen wie dort.

Die Perfekte Mischung aus alt und Neu

Die Altstadt von Tallin ist romantisch und altmodisch. Aber in der estnischen Hauptstadt gibt es auch junge und urbane Ecken. (Foto: Luise)

Verwinkelte Gassen, Kirchen aus dem Mittelalter und eine Mauer um die Altstadt verleihen Tallinn einen besonders nostalgischen Charme. Als sei die Stadt aus der Zeit gefallen. Doch wer glaubt, dass Estlands Hauptstadt im romantisch verklärten Gestern hängengeblieben ist, der irrt sich! Zwischen Kopfsteinpflaster und gut restaurierten Altbauten wuseln nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische herum – und die sind jung, modern und urban.

Besonders wenn man von der Altstadt Richtung Platz der Freiheit geht, begegnet man ihnen. Hier beginnt der moderne Teil von Tallinn, mit coolen Cafés, Clubs und vor allem viel Kunst. Auch in der Altstadt stolpert man gefühlt alle paar Meter über eine kleine Galerie. Aber die junge Kunstszene beginnt eigentlich erst hinter den Stadtmauern.

Gar nicht weit von der Innenstadt entfernt ist zum Beispiel der Kreativcampus Telliskivi. Hier gibt es zahlreiche Ateliers und Galerien, alternatives Essen, Märkte, Theateraufführungen und natürlich Graffitis wohin man blickt.

Insgesamt ist Tallin eine tolle Mischung aus altmodisch und modern. Und ganz egal ob Stadt oder Land – eine Sache ist überall gleichermaßen fortschrittlich in Estland: das Internet. Für Deutsche ist es kaum vorstellbar, dass man selbst in den abgelegensten Landstrichen IMMER 4G+ hat. Selbst als wir durchs Hochmoor wanderten – im Gefühl, von der “echten Welt” völlig abgeschnitten zu sein – riss unsere Internetverbindung nicht ab. In Deutschland muss man hingegen nur zwei Meter aus einer Großstadt laufen und schon steht man im Funkloch. Für mich hat diese kleine Beobachtung gezeigt, dass das romantische, ursprüngliche Estland eben doch sehr nah am Zeitgeist ist.

Vergangenheit zwischen russischen Ruinen

Die geheime sowjetische U-Boot-Station ist ein Must-see für alle geschichtlich interessierten Menschen. (Foto: Luise)

In Estland kann man nicht nur gut entspannen, wandern oder Rad fahren. Auch historisch bietet das Land einiges. Ich persönlich finde es immer besonders spannend, Geschichte mit eigenen Augen zu sehen und zu berühren. Besonders die Jahre der sowjetischen Besatzung begegnen einem in Estland überall.

Um den romantischen Kern von Tallinn herum stehen zum Beispiel große, teils sehr heruntergekommene Hochhaussiedlungen im “Ost-Stil”. Und auch in den Industriegebieten findet man zwischen modernen Lagerhallen alte, leerstehende Fabrikgebäude aus der Zeit vor 1991. Aber diese historischen Überbleibsel sind nichts im Vergleich zu einem geheimen U-Boot-Hafen.

Ein seltsames, unförmiges Gebilde ragt in einer Bucht an der Küste des Lamehaa-Nationalparks ins Meer. Lange Beton-Plattformen, Metallgerüste und zerstörte Gebäudekomplexe mit Graffitis liegen versteckt neben der kleinen Insel Hara.

Die Vermutung lag nahe, dass dieses seltsame Ding irgendwas mit militärischer Schifffahrt zu tun hat. Doch dass es sich hierbei um einen streng geheimen U-Boot-Hafen handelt, hätte ich nie gedacht. Genauer gesagt war es eine sowjetische Entmagnetisierungs-Station für U-Boote. Durch das Erdmagnetfeld laden sie U-Boote unter Wasser auf. Dadurch werden sie allerdings auf dem Radar sichtbar und könnten Magnetminen auslösen. Um dem entgegenzuwirken, werden die U-Boote wieder entmagnetisiert. In der gesamten Sowjetunion gab es nur zwei dieser Stationen. Eine davon an der romantischen Ostseeküste von Estland.

All diese Informationen musste ich mir im Internet zusammensuchen. Bei der Ruine selbst gab es keine Info-Tafel über den historischen Hintergrund. Das mag einerseits daran liegen, dass man bis heute nur sehr wenig über die U-Boot-Station weiß. Andererseits scheint das Areal noch nicht vollständig touristisch erschlossen zu sein. 10 Euro Eintritt musste man aber dennoch zahlen.

Fast noch spannender als der U-Boot-Hafen waren einige versteckte Ruinen im angrenzenden Wald, die wir durch Zufall entdeckt haben. Als wir auf dem Weg zu unserem Ziel fälschlicherweise nach rechts statt nach links einbogen. holperten wir plötzlich mit unserem Mietwagen über einen kleinen dunklen Waldweg – vorbei an alten Kasernen und ausgebrannten Aussichtstürmen. Auf einer kleinen Lichtung stiegen wir aus. Der Regen prasselte auf die Betonklötze und die rostigen Stacheldrahtzäune. Hinter den zerstörten Fenstergläsern konnte man die Graffitis an den Wänden erahnen. Es war ein unheimlicher, verlassener Ort – ideal für jugendliche Mutproben oder heimliche Partys. Wer auf den leichten “Grusel-Faktor” steht, der sollte  auf dem Weg zur U-Boot-Station unbedingt falsch abbiegen.

Freiheit für Hunde(-freunde)

Am Meer durfte unser Hund Dante frei und glücklich herumtollen. (Foto: Luise)

Wenn man mit Hund in Europa verreisen will, gibt es seeehr viele Regeln. In das eine Land darf man nur bestimmte Rassen einführen, in dem anderen Land dürfen Hunde weder in Restaurants noch an den Strand und fast überall gilt Leinenpflicht. Natürlich werden jetzt Menschen ohne Hund sagen, dass das alles seine Gründe hat, aber für Hundefreunde ist es dadurch auch schwierig, einen schönen, entspannten Urlaub mit seinem Vierbeiner zu machen.

In Estland ist das ziemlich einfach. Natürlich gilt auch hier, dass der Hund an die Leine muss, wenn man unter Menschen ist, aber grundsätzlich sind sie fast überall herzlich willkommen. In jedes Restaurant durften wir Dante mitnehmen und es wurde sogar immer eine Schale mit Wasser bereitgestellt. Hunde scheinen hier zum Alltag dazuzugehören.

Besonders schön waren die Ausflüge in die weitläufigen Wälder oder an einsame Strände. Niemand wird belästigt, wenn der Hund frei herumläuft. Und wenn doch mal ein Wanderer des Weges kam, war es für mich selbstverständlich, Dante zu mir zu rufen und ihn an die Leine zu nehmen. Aber meistens durfte er frei und unbeschwert herumtollen. Es gibt kaum etwas, das so glücklich macht, wie seinen geliebten Hund über den Sandstrand wetzen oder ins Meer springen zu sehen. Und auch er war sichtbar zufrieden.