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Wie Millennials ticken

Was ist typisch für Millennials? Wir sind jung. Und für Außenstehende scheinen wir vor allem mit unseren Smartphones verwachsen zu sein. Deshalb sind uns Begriffe wie „Smombie” zu verdanken. Neben uns selbst kennt aber keiner unsere Generation besser als Leif Kramp von der Universität Bremen. Am Dienstag, 1. August, ist er zu Gast beim Talk „Leute in der Losche”. Der Wissenschaftler wird dann erzählen, wie wir Millennials anscheinend so ticken und was unsere junge Generation überhaupt ausmacht.

Leif Kramp, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Bremen (Foto: Brunnhofer)

Herr Kramp, wer sind diese Millennials eigentlich und was ist an ihnen so besonders? Unter dem Begriff Millennials werden verschiedene Altersgruppen zusammengefasst. Wir haben uns für unsere Studie auf die Geburtenjahrgänge der frühen 80er Jahre bis zum Jahr 2000 konzentriert. Diese Altersgruppen zeichnen sich durch heterogene Lebensstadien, Mentalitäten und Mediennutzung aus. Und das macht es auch so schwierig, sie zu verstehen.

Ist diese Generation nicht eine Altersgruppe wie jede andere vor ihnen auch? Das Interesse an den Millennials besteht aus zwei Gründen: Einerseits ist das die Kaufkraft und das Interesse an digitalen Medieninhalten. Sie sind mit digitalen Medien aufgewachsen. Andererseits werden Millennials in der Industrie zum Teil auch stellvertretend für das veränderte Medienverhalten von jungen Zielgruppen insgesamt verstanden. Man möchte das Pressegeschäft beispielsweise auf sichere Füße stellen, merkt aber, dass die jungen Zielgruppen sich ganz anders informieren als früher über klassische Nachrichtenangebote. Und das, dieses große Rätsel, was die Nachrichtenbranche, aber auch die Werbebranche umtreibt, findet Ausdruck in diesem nachhaltigen Interesse an den Millennials.

Millennials suchen nach immer neuen, abgegrenzten virtuellen Tummelplätzen.

Millennials haben eine ganz andere Lebensrealität als ältere Menschen, die nicht so stark auf elektronische Geräte fokussiert sind. Wie geht man damit am besten um? Da gibt es natürlich zunächst meist ein Fremdeln bei älteren Generationen, das haben wir immer erlebt, wenn neue Medien eingeführt wurden und sich auf dem Markt verbreitet haben. Das war auch so beim Radio oder beim Fernsehen, und beim Internet eben auch. Es ist sehr interessant, sich das Verhältnis zwischen den älteren Generationen und den Millennials anhand der Mediennutzung anzuschauen.

Warum? Die Älteren werden durch die Jüngeren an diese neuen Medien herangeführt, und wir erleben nach und nach altersübergreifend einen Anstieg in der Nutzung. Der Altersdurchschnitt auf den verschiedenen Plattformen steigt, was wiederum dazu führt, dass die Jungen weiterziehen. Sie suchen nach abgegrenzten virtuellen Tummelplätzen, wo sie unter sich sind und sich untereinander austauschen können, ohne von Nutzern im Alter ihrer Eltern und Großeltern behelligt zu werden. Wir sehen aber, dass die Älteren durch die Jüngeren an die neuen Medien herangeführt werden, was zu mehr Akzeptanz der neuen Medien in der Gesellschaft führt.

Millennials sind von ihrer Mediennutzung genervt.

Wie selbstreflektiert ist diese Generation eigentlich? Wissen die Millennials, was ihnen entgeht, wenn sie immer nur mit ihren Smartphones beschäftigt sind? Die Millennials nutzen das Smartphone in erster Linie aus pragmatischen Gründen, weil sie darüber Neues aus der Welt erfahren und weil sie darüber mit ihren Altersgenossen in Kontakt bleiben. Die Kommunikation findet in diesen Altersgruppen hauptsächlich über das Smartphone statt. Man organisiert sich darüber mit anderen, teilt Medieninhalte. Andererseits gibt es mittlerweile auch eine Übersättigung.

Woran machen Sie das fest? Ein Großteil unserer Probanden hat uns erzählt, dass sie von ihrer eigenen Mediennutzung genervt sind, vom Drang, immer wieder auf das Smartphone zu schauen. Das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn man nicht ständig „on” ist, ist etwas, was die Millennials belastet. Aber eben noch nicht in dem Maße, dass sie die Reißleine ziehen und komplett darauf verzichten. Manche flüchten buchstäblich in den Urlaub, um dort in der Ferne einen Grund und eine Rechtfertigung zu haben, sich aus diesem Kommunikationsstrom auszuklinken. Kurz gesagt: Das Problem ist erkannt, es fehlt aber an Lösungen.

Ob Wetter-App oder Navigationsgerät – Millennials verlassen sich in fast allen Lebenslagen nahezu blind auf ihr Smartphone. Würden sie ohne überhaupt noch klarkommen? Es ist tatsächlich so: Von morgens beim Aufwachen bis abends beim Einschlummern nutzen die Millennials das Smartphone rund um die Uhr. In einer Abschlussarbeit an der Uni Bremen wurde untersucht, welche Auswirkungen der Verzicht auf das Smartphone hat. Dabei kam heraus, dass auch das Stress verursacht. Es ist ein Paradox, dass sowohl die Nutzung als auch der Verzicht auf das Smartphone emotionalen Stress erzeugt. Und da kann man sich nun überlegen, ob man überhaupt verzichten kann und sollte, oder ob es nicht eine Möglichkeit gibt, zu einer vermeintlich „gesünderen” Nutzungsgewohnheit zu kommen. Denn die praktischen Vorteile der mobilen Alleskönner sind ja auch nicht von der Hand zu weisen.

Die Zeichen stehen auf digital.

Kann man schon abschätzen, wie es in Zukunft weitergehen wird? Wird sich die Digitalisierung fortsetzen oder ist sogar ein „Offline-Gegentrend” absehbar? Solche Gegenentwürfe zum digitalen Alltag werden ja ständig ausgerufen. Wir erleben gerade, wie die Digitalisierung immer tiefgreifender in immer mehr Bereiche der Industrie eingreift und dadurch noch relevanter für unsere Gesellschaft wird. Es geht natürlich ans Eingemachte, wenn nun darüber diskutiert wird, wie stark Roboter und Künstliche Intelligenz in Zukunft noch viele weitere Berufsfelder prägen und Jobs kosten könnten. Diese Entwicklung ist an sich nicht aufzuhalten.

Das heißt? Die digitale Mediennutzung hat in allen Altersschichten ein Hoch erreicht. Da mag es tendenziell Rückgänge geben, aber bei den Millennials sind die Anstiege am größten. Gerade die Internetnutzung hat bei den Jungen wiederholt zugelegt. Und wenn wir über die Zukunft sprechen, reden wir ja darüber, was die nachwachsenden Generationen betrifft: Wer heute keine gedruckten Bücher oder Zeitungen liest, sondern hauptsächlich digital, der wird mit dem zunehmenden Alter nicht automatisch zu analogen Medien wechseln. Zeitungen auf Papier werden aber auch nicht irgendwann verschwinden, sondern weiterhin ihre Rolle behaupten, nicht aber zwingend in der heute noch festzustellenden Marktdominanz. Die Zeichen stehen auf digital.

Karten für den Talk „Leute in der Losche” am Dienstag, 1. August, um 19.30 Uhr gibt es – gegen eine Spende für „Hilfe für Mitbürger” – im Kundencenter der NORDSEE-ZEITUNG, Obere Bürger 48, und im Internet.

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Sophia

Über Sophia Welbhoff

Besitzt über 50 Teesorten, die sie am liebsten bei Musik genießt – und diese darf, auch wenn man es ihr nicht ansieht, gerne laut und metallisch sein. Sophia krault gerne Hunde und Katzen und hat eine Vorliebe für Reisen in skandinavische Länder.

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