Foto: TuYu Photography

TuYu Photography: Fünf Bilder und ihre Geschichten

Türkay ist zwar ist zwar ein sehr offener Mensch, steht aber nicht gern im Mittelpunkt. „Mir ist das immer etwas unangenehm”, sagt er. „Braucht es nicht”, antworte ich ihm. Türkay ist ein guter Freund von mir. Er veröffentlicht seine Arbeiten unter dem Namen TuYu Photography. „Wir lassen einfach deine Bilder sprechen.”

Türkay Yüceünüvar (43) hat türkische Wurzeln, er lebt und arbeitet in Bremerhaven. Von Beruf ist er Polizist. „Ich glaube, dass ich einfach einen sehr stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe”, erzählt er mir bei einer Tasse Kaffee im Caspar David. Wir sitzen erst draußen, müssen dann aber wegen vermehrter Wespen-Angriffe ins Innere des Cafés fliehen. „Das war schon immer so. Und das war letztendlich auch der Grund, warum ich Polizist werden wollte. Ich wollte den Menschen helfen. Ich will es immer noch.”

Die Fotografie begleitet Türkay seit seiner Kindheit. „Es gab ein Erlebnis in meinem Leben, das mich sehr geprägt hat: Ich war 15, glaube ich. Und ich wollte schon lange eine Kamera von meinem Dad haben. Wir sind zusammen in die Türkei gefahren, um unsere Familie zu besuchen. Auch meine Urgroßmutter.” Türkays Urgroßmutter ist blind gewesen, erzählt er. „Mein Vater hat ihr gesagt, dass sein Bruder gleich zu ihr kommt. Und nicht ich. Es war unglaublich: Ohne dass ich etwas gesagt habe, hat sie mich erkannt. An meinem Geruch! Dieser Moment hat mich so sehr fasziniert – ich wollte ihn in einem Foto festhalten. Aber ich hatte ja keine Kamera. Drei Monate später ist meine Urgroßmutter gestorben.”

Türkay im Portrait. (Foto: TuYu Photography)

„Fotos wecken Erinnerungen”, erklärt Türkay seine Leidenschaft. „Düfte, Musik, Geschmäcker – all das kommt wieder in mir hoch, wenn ich eine Foto betrachtete. Videos schaffen das nicht. Zumindest nicht bei mir. Die Wahrnehmung ist nicht so intensiv.” Er habe mal zu einem Freund gesagt, dass es seine Superkraft wäre, mit seinen Fotos die Zeit einzufrieren. „Momente, wie der mit meiner Urgroßmutter, sind so flüchtig und die Welt dreht sich so schnell.”

Beigebracht hat sich Türkay das Fotografieren selbst. Heute arbeitet er vor allem frei und plant weitere Ausstellungen. „Das ist sozusagen mein kreatives Ventil. Es hilft gegen den Alltagsstress.” Sein Schwerpunkt sind Portrait-Aufnahmen: „Ich fotografiere Menschen nicht nur, weil sie fotogen sind. Mich reizt das Tiefgründige in ihnen. Die Art und Weise, wie sie miteinander umgehen. Ich mag sympathische Menschen.” Anfangs hätte es ihn allerdings viel Mut gekostet, Fremde auf der Straße anzusprechen, gesteht Türkay: „Im Grunde bin ich schüchtern. Aber ich habe gelernt, Momente, die sich mir spontan bieten, nicht zu verschwenden.” Seinen potentiellen Models drücke er dann jedes Mal eine Visitenkarte in die Hand. „Wenn ich jemanden zum Shooting einlade, bitte ich ihn auch, eine Begleitperson mitzubringen. Damit es nicht komisch rüberkommt.”

Durch seine Leidenschaft zur Fotografie, resümiert Türkay, habe er viele Freundschaften geknüpft und bereits unzählige Geschichten gehört. Eine davon, ist die von Mr. Ingram.

Mr. Ingram

„Das Portrait von Mr. Ingram ist eines meiner Lieblingsbilder. Es hängt sogar in meiner Wohnung, weil ich seinen Blick extrem ausdrucksstark, aber auch beruhigend finde. Was meinst du wohl, wo ich das Foto gemacht habe?”, fragt Türkay anschließend. „Jamaica?”, lautet meine zaghafte Antwort. Kann ja nur ein Fangfrage sein. „Fast. Also die Herkunft stimmt. Aber das Foto ist aus Bremerhaven. Mr. Ingram wohnt seit Jahren hier. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, war er grade auf dem Fahrrad in Richtung Netto unterwegs. Im Blaumann.”

Türkay sei ihm direkt nach: „Ich musste diesen Mann einfach für meine Ausstellung fotografieren, ‚Gleichheit in der Vielfalt’”. Mr. Ingram habe genau ins Konzept gepasst: „Manchmal können wir nicht sagen, woher jemand kommt oder wo er gerade wohnt. Vielleicht müssen wir sogar unsere eigenen Vorurteile überdenken. Schließlich sind wir doch alle Menschen!”.

Bei Netto angekommen, habe gleich eine Art stillschweigendes Verständnis zwischen ihm und Mr. Ingram geherrscht, erinnert sich Türkay: „Wir hatten direkten Augenkontakt. Er hat hat mich zuerst gegrüßt.” Nach kurzer Überzeugungsarbeit und anschließendem Shooting, hätten sich die beiden noch etwas über ihr Familienleben ausgetauscht. „Eine große Hochzeit auf Jamaica? Nein, das gab es bei mir und meiner Frau nicht”, hätte Mr. Ingram ihm erzählt. „Nur 3 bis 4 Leute. Meine Frau und ich mögen einfach keinen Stress.”

Şevval

„Erzähl mir doch mal was zu diesem Foto”, bitte ich Türkay. „Ich liebe die Augen dieser Frau: Sie scheint den Betrachter anzugucken und gleichermaßen den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Dieses Spannungsveerhältnis gefällt mir.”

Das Foto sei im Caspar David entstanden, erzählt er. Genau hier, an unserem Tisch. „Das Model wiederum heißt Şevval. Eine Türkin. Ich habe Şevval in einer schwierigen Zeit kennengelernt. Als meine Oma im Sterben lag.” Sie sei Kellnerin gewesen und hätte ihn und seinen Bruder im Café bedient. „Wir brauchten einfach mal ’ne Auszeit. Şevval ist mir aufgefallen. Nett, aber zurückhaltend.”

Die beiden sind immer noch gut befreundet. „Sie hat mehrere Shootings gebraucht, um aufzutauen, beziehungsweise um ihre Distanz zur Kamera abzubauen. Aber das ist ja auch gar nicht schlimm. Portraits sind etwas sehr intimes. Wie ein Blick in die Seele. Und es ist immer die Frage, inwieweit ein Mensch bereit ist, so einen Blick zuzulassen,”

Efe

Efe. (Foto: TuYu Photography)

„Der kleine Junge auf dem Foto heißt Efe.” Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er vier. Türkay war mit seinem Sohn im Urlaub, in einem kleinen Dorf in Mittelanatolien. „Mein Sohn und Efe haben zusammen gespielt. Ich habe ihn für einen Touristen gehalten, wegen seiner hellen Haare und seiner blauen Augen.” Als Türkay ihn angesprochen habe, hätte sich allerdings herausgestellt, dass Efe in der Nähe des Dorfes wohnt.

„Das war wieder eines dieser Ereignisse. Das Portrait gehört zur gleichen Foto-Serie wie Mr. Ingram. ‚Gleichheit in der Vielfalt’”. Das Portrait habe er der Familie später zukommen lassen, sagt Türkay. Als Dankeschön.

Das Skatergirl

„Die Geschichte vom Skatergirl ist kurz erzählt: Ich war in Barcelona und wollte unbedingt diese Straße fotografieren.” Die Frau auf dem Foto sei ihm  durch Zufall ins Bild gefahren und habe sich anschließend dafür entschuldigt, erzählt Türkay, nachdem er einen großen Schluck von seinem Kaffee genommen hat. „Geiles Motiv. Ich habe sie spontan gefragt, ob sie das noch mal wiederholen kann. Solche Aktionen sind toll. Das passiert oft, wenn ich reise.”

Rachael Munnelly

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„Hier siehst du Rachael. Rachael Munnelly aus Irland.” Rachael habe er ebenfalls auf seiner Spanien-Reise kennengelernt, genauso wie das Skatergirl. „Ich war mit einem guten Freund in einer Tapas-Bar. Rachael und ihre Mutter haben am Nebentisch gesessen. Mir ist sofort aufgefallen, wie gut sich die beiden verstanden haben. Anscheinend hatten sie eine sehr enge Bindung.” Daraufhin habe er Rachael, wieder spontan, von der Seite fotografiert und sie gefragt, ob er ihr dieses Foto schenken könne. „Ihre Tochter hat ein sehr fotogenes Gesicht”, so die Erklärung für die Mutter. „Rachael und ich sind anschließend noch mal nach draußen gegangen, vor die Bar. Das Portrait ist in nur 5 Minuten entstanden.”

„Immer wenn ich es betrachte, wird wieder die Erinnerung in mir wach. An Spanien, an die Tapas-Bar, an die Geräusche auf der Straße. Das ist es wie gesagt, was Bilder für mich bedeuten. Deshalb fotografiere ich.”

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Janina

Über Janina Kück

Hat zwei Herzen in ihrer Brust: Das einer kleinen Madame mit einem Faible für französische Mode - Ringelshirts, rote Lippen und Kurzhaarschnitte - und das eines RockʹnʹRoll-Girls, für das laute und wilde Konzerte genauso wichtig sind wie Sauerstoff. Ihre Liebe für Rotwein und Kaffee ist irgendwo dazwischen. Genauso wie ihre dunkle Leidenschaft für Pete Doherty.

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