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Unter der Haut: „Hast du ein Problem, du Pussy?“

Oft feministisch. noch öfter intim: In ihrer Kolumne schreibt Janina über alle Themen, die ihr unter die Haut gehen. Heute geht es um die Macht von Sprache. Warum wird „Pussy” so oft als Beleidigung  beziehungsweise als Symbol für Schwäche benutzt? Muss es dafür unbedingt ein Synonym für das weibliche Geschlecht sein?

Neulich im Saarpark in Bremerhaven: Während meiner Mittagspause höre ich, wie sich zwei junge Mädchen über den Schulunterricht unterhalten: „Sei doch nicht sone Pussy!”, sagt die eine. „Wenn du am Mittwoch schwänzen willst, dann schwänzt du eben.”

„Pussy” ist scheinbar ein beliebtes Wort, wenn es darum geht, jemanden veralbern, jemanden beschimpfen oder das Drehbuch für einen Porno schreiben zu wollen. Krass ausgedrückt: verbale Gewalt auf der einen und Sex auf der anderen Seite. Dass sich dahinter eine äußerst frauenverachtende Sichtweise verbirgt, ist vielen allerdings nicht klar.

Sprache hat Macht

Für die Erkenntnis, dass Sprache einen immens hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat, muss man nicht, so wie ich, Sprach- und Kulturwissenschaft studiert haben.

Nur mal zwei Beispiele aus der Politik: Sprache ist vor allem dann wichtig, wenn mal wieder ein Wahlkampf ansteht und Wählerstimmen gewonnen werden müssen. Nicht ohne Grund gibt es seit der Antike Rhetorik-Ratgeber. Sprache kann aber auch den Beginn eines Krieges offiziell festlegen und damit sozusagen der Grundstein für die folgenden Handlungen sein. „Die Feder ist mächtiger als das Schwert”, hat der britische Romanautor Edward Bulwer-Lytton deswegen gesagt.

In der Linguistik herrscht schon seit langem Streit, was den Einfluss von Sprache auf unser Leben angeht: Die einen sind davon überzeugt, dass unsere Sprache unser Denken bestimmt und Menschen in unterschiedlichen Sprachen daher auch unterschiedlich denken. Die anderen Forscher halten dagegen: Sie meinen, dass Denken und Sprache weitgehend unabhängig voneinander funktionieren. Allen Menschen sind ohnehin dieselben Grundregeln der Sprache angeboren, so ihr Argument.

Da die Diskussion grundlegende Fragen nach dem Wesen des Menschen und seiner Wahrnehmung aufwirft und damit weit über die Disziplin Linguistik hinausgeht, haben sich auch Psychologen und Hirnforscher ihrer angenommen: Sie finden immer mehr Hinweise darauf, dass Worte unser Denken und Handeln prägen. Der Mensch eignet sich ihren Ergebnissen zufolge mit seiner Muttersprache bestimmte Denkmuster an, die sein späteres Leben beeinflussen. „Eine Gesellschaft, die sich an Hass-Sprache gewöhnt, verroht”, sagt Joachim Bauer, Neurowissenschaftler am Uniklinikum Freiburg, beispielsweise. Er bezieht sich damit vor allem auf die Themen „Hass im Internet” und „Hass in der Politik”.

Frauen: noch immer das schwache Geschlecht

Sprache hat außerdem eine offensichtliche Wirkung, die wohl jeder von uns bestätigen würde: Sie kann verletzen und damit noch Tage, wenn nicht sogar Jahre nachwirken. Meine eigene Erfahrung mit beleidigender Sprache habe ich bereits in einer früheren Kolumne beschrieben.

Wenn ein Mensch einen anderen als „Pussy” bezeichnet, geht es im Grunde darum, letzteren als schwach, wenn nicht sogar als unfähig darzustellen. Gleichsam einem „Opfer”. Auch eines dieser fiesen Worte. Benutzt wird „Pussy” für Männer und für Frauen. Es kommt in einem wüsten Streit oder einer Pöbelei zum Tragen („Hast du ein Problem, du Pussy?”), aber auch im lockeren Gespräch. Man denke zum Beispiel an die zwei Mädchen aus dem Saarpark, deren Gespräch ich zufällig in meiner Mittagspause mitbekommen habe. In diesem Fall hatte das Wort einen scherzhaften Beigeschmack, nach dem Motto „Stell dich doch nicht so an!”.

„Pussy” als Symbol für Schwäche zu verwenden, zeigt mir, dass unsere Gesellschaft noch lange nicht da ist, wo sie sein könnte. Machen wir uns nichts vor, Frauen werden noch immer als das schwächere Geschlecht angesehen. Ob nun böse gemeint oder nicht, viele denken: Frauen können weniger Getränkekisten tragen, sie sind durch ihre Periode an manchen Tagen weniger leistungsfähig als an anderen, sie fallen durch Schwangerschaft im Beruf aus, müssen aber dennoch bezahlt werden, sie sind Sexobjekt – und und und. Überwiegend wird die postulierte Schwäche der Frau auf ihre Biologie zurückgeführt.

Dieses prähistorische Schlussfolgerung zeigt sich an unzähligen Beispielen: Sie zeigt sich in unserem Wortschatz, sie zeigt sich in unseren Löhnen, sie zeigt sich – heutzutage mehr denn je – an sexualisierten Instagram-Bildern. Was prominente „Schlussfolgerer” angeht, denke ich vor allem an Donald Trump und „Grab her by the pussy” – seinen berühmt gewordenen Ausspruch. „Fass Frau ruhig an ihrer Pussy an. Du darfst das. Sie wehrt sich auch nicht.” Oder was suggeriert diese Aufforderung?

Hört Endlich auf damit!

In puncto Frauenrechten bin ich ein Idealist. Das ist mir klar. Ich bin bei diesem Thema äußerst sensibilisiert. Das kommt sicherlich wegen meines akademischen Hintergrundes, das kommt aber auch wegen meines normalen Menschenverstandes: Dass sich junge Mädchen gegenseitig als „Pussy” bezeichnen, kann nicht gesund für sie sein und wird sich höchstwahrscheinlich (früher oder später) auf ihr Selbstwertgefühl auswirken. Sie benutzen die Bezeichnung, ohne jedoch dabei zu merken, wie misogyn sie im Grunde ist. Damit werten sie sich und ihr Geschlecht ab.

Gleiches gilt im Übrigen für das Wort „Mädels”. Auch erwachsene Frauen sprechen oft davon, mit ihren Freundinnen einen „Mädelsabend” veranstalten zu wollen. Für mich hört sich diese Formulierung immer so „niedlich” und „unschuldig” an,  ich möchte beinahe „oberflächlich” sagen. Das Attribut „unfähig” schwingt ebenfalls wieder mit („Heidi Klum zeigt ihren Mädels, wie man richtig modelt”.).

Egal, wie und in welchem Kontext man „Pussy” und „Mädels” interpretiert – die beiden Worte sind definitiv nicht die ersten, wenn man an Stärke, Respekt, Können und Gleichheit denkt. Schade.

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Janina

Über Janina Kück

Hat zwei Herzen in ihrer Brust: Das einer kleinen Madame mit einem Faible für französische Mode - Ringelshirts, rote Lippen und Kurzhaarschnitte - und das eines RockʹnʹRoll-Girls, für das laute und wilde Konzerte genauso wichtig sind wie Sauerstoff. Ihre Liebe für Rotwein und Kaffee ist irgendwo dazwischen. Genauso wie ihre dunkle Leidenschaft für Pete Doherty.

2 Comments

  1. Jan

    Hallo liebe Janina,

    zunächst einmal finde ich es gut und richtig, dass du das doch schon fast alltägliche gewordene
    Sprachbild von jungen Frauen und Männern kritisierst und somit ein Statement für den aufgeklärten Feminismus
    (auch Männer können Feministen sein!) – nicht eben jenen Feminismus, welchen z.B. Alice Schwarzer in ihrer Zeitschrift „Emma“ behauptet zu vertreten – abgibst.
    Ich finde es erschreckend mit welchen Ausdrücken Jugendliche aus unserer heutigen Zeit teilweise um sich werfen ohne dabei
    überhaupt verstanden zu haben, welche Wirkung diese Ausdrücke auf ihr Gegenüber und ihre gesamte Umgebung haben.
    Dabei fallen natürlich auch Sätze, die du sie schon genannt hast, wie z.B. „Sei nicht so eine Pussy!“ oder „Hab doch mal gefälligst Eier!“ v.a. dann,
    wenn es um Mutproben und dergleichen geht.
    Diese sprachliche Gegenüberstellung finde ich interessant, weil in dem Fall „Pussy“ (vgl. Vulva –> weibliche Eigenschaft) mit Schwäche und Unfähigkeit,
    während „Eier haben“ (männliche Eigenschaft) mit Mut und Furchtlosigkeit assoziiert wird. Dies ist den Frauen gegenüber eindeutig eine herabschätzende
    Art und Weise des Sprachgebrauchs; aber das Schlimme daran ist doch vielmehr, dass es kaum einem auffällt. Dies hängt mit der Verrohung unser Alltagssprache direkt
    zusammen, wobei ich es nebenbei als nicht wirklich förderlich empfinde, wenn sich eine ultra-feministische Punkrock-Band ausgerechnet „Pussy Riot“ nennt.
    Normalerweise hätte ich behauptet, dass eine solche Verwendung unserer Sprache direkt mit dem Bildungsgrad der jeweiligen Person zusammen hängt, aber dem ist schon lange
    nicht mehr so. Viele Jugendliche haben Abitur und erfreuen sich dennoch der Verwendung solcher Begriffe. Erst mit Beginn des Studiums, habe ich selber festgestellt,
    geht diese Entwicklung zurück.
    Ich gebe dir in vielen Punkten Recht, dass Frauen in unserer Gesellschaft immer noch gegenüber Männern deutlich unterbezahlt und von vielen Arbeitgebern gering geschätzt
    werden, jedoch halte ich den biologischen Vergleich (siehe “ Ob nun böse gemeint oder nicht, viele denken: Frauen können weniger Getränkekisten tragen, sie sind durch ihre Periode an
    manchen Tagen weniger leistungsfähig als an anderen, sie fallen durch Schwangerschaft im Beruf aus, müssen aber dennoch bezahlt werden, sie sind Sexobjekt – und und und.
    Überwiegend wird die postulierte Schwäche der Frau auf ihre Biologie zurückgeführt.“) für unzureichend, da Frauen, aufgrund ihrer Anatomie, (!wichtig:i.d.R.!) weniger Körperkraft besitzen als Männer
    oder eben durch z.B. Schwangerschaft in ihrem Beruf ausfallen. Das sind m.E. nach Tatsachen, die sich nicht leugnen lassen, aber diese Tatsachen dürfen m.M. nach bei z.B. der Berufsfindung
    keine Rolle spielen, weil sie ansonsten die Frauen als solche diskriminieren!
    Leider befeuert die Medienwelt ebenso solche Vorurteile. „Germany’s Next Topmodel“ ist eindeutig und unumstößlich das beste Beispiel für die Beschränkung der Frau auf ihr Äußeres und die öffentliche
    Darstellung als Sexobjekt. Es geht in dieser Sendung nicht um den Charakter oder das Wissen der jeweiligen Kandidatinnen, sondern einzig und allein um ihr Aussehen, während die „große“ Heidi Klum über
    ihre Untergebenen wacht. Die Aufstellung dieser Sendung kommt m.E. nach einer Rangstellung in einem Bordell ziemlich gleich!

    Abschließend möchte ich sagen, dass ich es wichtig finde, dass du zu diesem Thema Position bezogen hast und die Kernforderungen des Feminismus verteidigst.
    Ich persönlich hoffe ja, dass in ferner Zukunft doch einmal ein gesellschaftlicher Wandel eintritt und die Gleichstellung von Mann und Frau nicht nur mehr auf dem Papier, sondern auch in der
    Realität, stattfindet!

    Mach weiter so!

    Liebe Grüße

    Jan

    1. Janina

      Lieber Jan,

      deinen Kommentar zu lesen hat mich sehr gefreut! Nicht primär, weil du die gleiche Meinung vertrittst – obwohl das natürlich auch schön zu lesen ist. Alles andere zu behaupten, wäre gelogen -, sondern weil diese Meinung aus dem Mund eines Mannes kommt. Aus dem Mund eines reflektierten Mannes wohlgemerkt. Dieses Kompliment muss ich dir an dieser Stelle einfach mal machen. Du scheinst dich sehr mit Feminismus und Gleichstellung beschäftigt zu haben. Ich würde mich deshalb auch sehr freuen, mehr von dir zu lesen. Vielleicht auch mal in ganz „offizieller Artikel-Form“ 🙂 Melde dich gerne, wenn es bei dir mal in den Fingern juckt.

      Leider sind feministische Themen und Texte wie diese im Moment nicht besonders gefragt. Das merke ich nicht nur am kulturellen Kontext, sondern – mal ganz platt gesagt – auch als Mitbetreiberin dieser Seite. Weitaus weniger Klickzahlen als bei anderen Artikeln und weitaus weniger nette und reflektierte Kommentare als deiner. Über Facebook haben uns viele Meinungsäußerungen wie „Wen interessiert das?“ oder „Wenn in China ein Sack Reis umfällt erreicht“ erreicht. Ich weiß natürlich, dass das wesentlich schlimmer geht – aber wegen meines kulturwissenschaftlichen Hintergrundes finde ich diese Reaktionen dennoch sehr interessant.
      Ich würde nicht sagen, dass der Feminismus tot ist – er scheint gemeinhin aber zu schlafen. Vielleicht führe ich diesen Gedankengang in einem späteren Artikel weiter aus. Weniger Klickzahlen werden mich nicht davon abhalten 🙂 Ganz im Gegenteil. Also Jan, vielen Dank noch einmal für deine Worte. Du merkst, sie haben mich zum (weiteren) Nachdenken gebracht.

      PS: Bevor ich es vergesse: Was deinen Einwand zur Stelle „Schwäche wird auf Biologie zurückgeführt“ angeht, hast du Recht. Die Stelle ist unglücklich, bzw. nicht deutlich genug formuliert denke ich im Nachhinein. Frauen sind (i.d.R.) nicht so stark wie Männer und fallen zum Beispiel durch ihre Schwangerschaft im Beruf aus. Wie auch du schon gesagt hast, wollte ich nur darauf hinweisen, dass man aus diesen Tatsachen keine Argumente für eine niedrige Bezahlung von Frauen ableiten darf.

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