Foto: Nina Brockmann

Marper’s Inn: So simpel und doch so gut

Sie lieben das Goethequartier. Und sie haben eine „passion for people“. Deswegen hat sich das deutsch-englische Ehepaar Andrea und Paul Marper Anfang Dezember einen Traum erfüllt – und ein eigenes Lokal in der Goethestraße in Bremerhaven-Lehe eröffnet. Es soll vor allem eins sein: ein Treffpunkt. Für Nachbarn. Freunde. Stammtische. Es soll Menschen aller Art zusammenbringen – bei einem Bier oder Wein. Essen gibt es auch.

Wir sind kein Restaurant, aber auch kein Imbiss“, sagt Andrea, als ich sie ein wenig zu dem Konzept hinter Marper’s Inn ausfrage. Sie nimmt sich die Zeit und setzt sich zu uns – an den einzigen runden Tisch im Raum, den sie uns bereits liebevoll gedeckt hat. „Have a wonderful day“ steht auf den Tischsets und um ein Fazit vorwegzunehmen: Wir hatten einen wundervollen Abend im Marper’s. Fast drei Stunden waren wir dort. Es ist so simpel, und doch – oder gerade deswegen – so gut.

Es gibt eine wechselnde Wochenkarte von der ich das Hähnchencurry für 6,50 Euro bestelle. Einfach nur, weil mir die Auswahl schwer fällt und ich Lust auf Reis habe. Meine Begleitung lässt sich von Paul, dem „Kitchen King“, beraten. Die Wahl fällt auf den „Renner“: Hähnchen Chorizo mit hausgemachten Pommes, von denen Andrea uns vorschwärmt. Dann verschwindet Paul, der am liebsten noch länger mit uns quatschen würde, erstmal in die Küche, wo er (bis auf die Burger-Brötchen) alles selbstmacht. Andrea erzählt währenddessen, wie das eine zum anderen kam.

RugbY ist wie eine grosse Familie auf der ganzen welt.

Für den Hinterkopf: Paul kommt aus Haverhill, England. Andrea ist Bremerhavenerin. Als er 1999 auf Montage war, haben sie sich in einem Restaurant im Fischereihafen kennen- und liebengelernt. Nach acht Jahren Fernbeziehung ist Andrea endlich zu ihm gezogen. Sie haben geheiratet und fortan ein glückliches Leben direkt an der Küste Englands geführt. „Das war wie Urlaub“, schwärmt Andrea. „Wir hatten das Meer direkt vor der Tür und es war seelenruhig.“

Andrea ist jobtechnisch im Einzelhandel groß geworden. Auch hier in Bremerhaven jobbt sie nebenbei noch in einem Secondhand-Laden – „ein paar Stunden die Woche“. Paul kommt aus der Metallbranche, ist handwerklich sehr begabt. Er hat sich in England früh selbstständig gemacht. Doch sein Herz schlug auch schon immer für den Sport, für Rugby. „Seit seiner Jugend hat Paul Rugby gespielt“, erzählt Andrea. „Bis er 40 war.“ Und Rugby – das sei auf der ganzen Welt wie eine große Familie. Jeder unterstütze sich, auch wenn man sich nicht kenne.

Große Vorhaben trotz eingeschränkter Sicht

So hat das Bremerhavener Rugby-Team, die „Kraken“, Paul und Andrea beim Umbau des ehemaligen Restaurants „La Cigale“ geholfen. „Als sie erfahren haben, dass Paul großer Rugby-Fan ist, wollten sie uns unbedingt bei unserem Vorhaben unterstützen“, erzählt Andrea. Denn es gab viel zu tun: Die Einrichtung des Vorbesitzers war alt, das Lokal sehr dunkel. Nun erstrahlt das Inn in den Farben von Pauls Rugby Mannschaft in Haverhill (hellblau und dunkelrot) – er hat alle sieben Tische und 28 Stühle selbst restauriert. Die Heizungen und den Tresen verkleidet. Und das alles in nur zwei Wochen.

Warum die beiden vor vier Jahren nach Deutschland gekommen sind? Andrea hat eine Augenkrankheit. Von Geburt an hat sie eine sehr eingeschränkte Sicht, weshalb sie auch kein Auto fahren darf. „In England haben wir so abgelegen gewohnt – ich musste einfach anfangen, mir Gedanken über mein Alter und unsere Zukunft zu machen“, erzählt sie. Beide sind über 50. „Wäre Paul etwas passiert – ich hätte ihn nicht ins Krankenhaus fahren können“, nennt Andrea als Beispiel.

Wir wollen hier abends gar nicht weg.

Und für Paul war das eine nur allzu willkommene Abwechslung. Genau der richtige Zeitpunkt für einen Neustart. „I love Bremerhaven“, schwärmt der Mann, der das „Bar-Betreiben“ auch im Rugby-Club gelernt hat. In der Küche zu stehen war da nur die logische Konsequenz. Doch zwischen Auswanderung und Eröffnung lagen noch ein paar harte Jahre für Paul bei einer Zeitarbeitsfirma. Immer wieder hat er so im Hafen Arbeit gefunden, aber nie etwas langfristiges. Bis das Angebot von einer Holzfirma kam, die ihn am Ende aufgrund seiner nicht ausreichenden Deutschkenntnisse doch nicht einstellten.

Als sie dann beiläufig erfahren haben, dass das Lokal zwei Gehminuten von ihrer Wohnung entfernt einen neuen Besitzer brauchte, war für die beiden klar: Das ist unsere Gelegenheit. Daraufhin hat sich Andrea in all die Angelegenheiten der Selbstständigkeit gefuchst, Behörden besucht, Anträge ausgefüllt. Es war ein langer Weg bis dahin, wo sie heute sind – und doch ist zwischen Idee und Tag 1 nur ein halbes Jahr vergangen. Und diesen Stolz merkt man ihnen an: Das „Inn“ ist kein Job für das Paar, es ist ihr zweites Zuhause. „Wir wollen hier abends gar nicht weg“, sagt Andrea und lacht.

Die beiden sind ein wirklich liebenswertes Paar. Ich bin sehr beeindruckt, mit wie viel Leidenschaft die beiden ihren „Traum betreiben“. Und welche Pläne sie noch haben – zum Beispiel einen englischen Stammtisch, irgendwann vielleicht sogar ein zweites Lokal. Und dann ist doch noch Izzy – die gute Seele des Lokals. Ein typisch englischer Jagdhund, mit einer unglaublich beruhigenden Aura und zuckersüßen Anhänglichkeit. Und was der Sahne noch die Kirsche aufsetzt: Es gibt „all day breakfast“. Rührei und Bacon bis Mitternacht! No more words needed…

Nachtisch: Apple Crumble. (Foto: Nina Brockmann)

Einmal selbst Gast sein

Es ist mittlerweile zwanzig nach neun – wir sind schon seit zwei Stunden dort. Izzy hat es sich an meinen Füßen bequem gemacht und lässt sich den Kopf kraulen. Zeit für Nachtisch. Und was gibt es typischeres als „Apple Crumble“? Den serviert uns Paul mit Vanillesauce, Andrea reicht uns einen Baileys dazu. Nach der Flasche Wein sind wir nun auch gut betüddelt und lassen den Abend mit dem sympathischen Paar ausklingen, wobei sich die Pointe für meinen Text ergibt:

Urlaub hatten die beiden die letzten Jahre nicht. Somit auch keine Zeit, ihre englische Heimat zu besuchen. Was auch gar nicht schlimm sei, erzählen sie. Paul hat sechs Enkelkinder – alle sind regelmäßig in Bremerhaven zu Besuch. Auch Andrea hat einen Sohn, der jedoch hier wohnt. Deswegen sei das abgedeckt. Urlaub ist in der nächsten Zeit wohl auch nicht möglich. Ihr Traum an einem freien Tag sei nur, einmal selbst Gast im „Marper’s Inn“ zu sein.

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Nina

Über Nina Brockmann

Foodie, Yogi und reiseverrückter Lifestyle-Junkie. Kann ohne Kaffee, Avocados und Lachen nicht leben. Steht auf Melancholie, aber nicht auf Mädchenkram wie Kleider oder Nagellack. Nur ohne Lippenstift geht sie äußerst selten aus dem Haus. Auch für Flechtfrisuren hat sie ein Faible.

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